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12 in 12 – Impressionen aus Potsdam

Nur eine halbe Stunde von Berlin entfernt liegt Potsdam, die Hauptstadt des Bundeslandes Brandenburg. Die Stadt als ehemalige preussische Residenzstadt mit ihren vielen Schloss- und Parkanlagen  ist sicher ein Kandidat für den Titel der schönsten Stadt Deutschlands.

Kein Wunder, dass Potsdam von der UNESCO in die Liste des Weltkultur- bzw. Naturerbes der Menschheit aufgenommen wurde.

Hier fühlt man sich, wie in eine andere Zeit versetzt. Ob das Schloss Sanssouci, der Marmorpalais, das Orangerieschloss, das Schloss Babelsberg, das neue Palais und das Schloss Glienicke, die Sehenswürdigkeiten finden kein Ende.

Hier lebt ein Deutschland, das man sich nur schwer vorstellen kann. Romantisch, poetisch und erhaben.

Ich lasse da einfach mal die Bilder sprechen:

12 in 12 – Keine Angst vor dem Deutschen Theater

Ich kann die Leute nicht verstehen, die nicht gerne ins Theater gehen. Immer wieder erzählt man mir, dass Theater langweilig sei, zu langatmig, anstrengend, bemühend und auch zu teuer. Wenn ich das höre, dann frage ich mich immer, wann wohl das letzte Mal war, dass diese “Theaterkritiker” tatsächlich im Theater waren. War es zu Schulzeiten, als man mit der ganzen Klasse den Midsummer Night’s Dream von Shakespeare auf Englisch anschauen musste und eigentlich viel lieber zu Hause geblieben wäre, oder war es gerade erst letzte Woche und war es ganz einfach das falsche Theaterstück?

Egal wie es war. Ob Theatermuffel oder  engagierter Theaterhasser. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Euer letzter Besuch im Deutschen Theater in Berlin war, denn das ist nicht nur spannend, sondern auch anregend, aufregend, anziehend, angesagt, anders und ganz bestimmt nicht anstrengend.

Ob die “Glass Menagerie” von Tennessee Williams, “Das Spiel ist aus”von Jean-Paul Sartre, “Ein Käfig ging einen Vogel suchen” von Franz Kafka, “100 Sekunden” unter der Regie von Christoph Rüping oder mein Lieblingsstück “Herbstsonate” nach dem Film von Ingmar Bergmann, all diese Theateraufführungen  haben mich richtig hier in Berlin glücklich gemacht. Ich könnte jeden Tag ins Theater gehen. Ab zehn Euro kriegt man hier Karten. Das ist weniger als ihr für 90 Minuten Volksverdummung, oder auch Transformer 3 genannt, ausgeben würdet. Unter dem Motto “Keine Angst vor dem Theater” kriegt man im Juli einen Platz im Deutschen Theater übrigens noch günstiger.

Auf der Bühne des Deutschen Theaters stehen leibhaftige Schauspieler, die sich nur für mich allein ins Zeug legen, die mir ein Erlebnis schenken, dass keine Kinoleinwand erzeugen kann, die meine Aufmerksamkeit von der ersten Sekunde an haben und deren Worte ich mit einem Genuss verschlinge, als ob ich einen frisch gebackenen Blaubeerpfannekuchen vor mir stehen habe.

Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, stehen im Deutschen Theater nur die Besten der Besten. Anja Schneider, Linn Reusse, Marcel Kohler und Camil Jammal sind einige der Schauspieler, die mir besonders ans Herz gewachsen sind.

Das Deutsche Theater ist Theater, wie es sein soll. Intellektuell stimulierend und dennoch nicht belehrend und fingerzeigend, herausfordernd und dennoch nicht selbstverliebt und nur für Elite und Kritiker inszeniert.

Das ist nicht selbstverständlich. Viele Intendanten der grossen Theater dieser Welt machen genau den Fehler, Theater nur für sich und nicht fürs Publikum aufzuführen. Es muss ja nicht gleich Volkstheater im herkömmlichen Sinne sein. Doch eine gute Balance zu kreieren. Das ist die hohe Kunst.

International kann dem Deutschen Theater nur das Londoner National Theater das Wasser reichen. Da kann man auch blind in irgendeine eine Aufführung gehen und wird immer mit einem Geniestreich beglückt.

Also, überlegt euch doch mal, wann ihr das letzte Mal im Theater wart. Wenn ihr euch nicht mehr genau erinnern könnt, wann das war, dann ist es auf jeden Fall viel zu lange her. Das soll jetzt kein elitäres Geschwätz sein, auch wenn es vielleicht so rüber kommt, sondern ist ganz einfach meine Meinung. Habt keine Angst vor dem Theater

Ich lasse Euch für heute mit einem Zitat von Tennessee Williams aus der Glassmenagerie mal ganz alleine:

“Being disappointed is one thing and being discouraged is something else. I am disappointed but I am not discouraged.”

12 in 12 – Döner und nicht Currywurst

Nicht die Currywurst, sonden der Döner ist das Leibgericht der Berliner. In der deutschen Hauptstadt gibt es 1200 Imbissstände, die Döner anbieten. Dazu kommen nochmals rund 1000 Restaurants, die den Döner auf der Karte haben. Gemäss Currywurst-Museum (ja, sowas gibt es in Berlin) stehen der Übermacht der Dönerbuden lediglich 170 Currywurst-Stände gegenüber.

Meinen Döner esse ich fast immer bei Imren, der in einer Seitenstrasse des Kottbusser Damms die besten Fleischspiesse der Stadt anbietet.  Nicht nur das Brot, sondern auch die Saucen und der Spiess sind “handgemacht” und schmecken einfach traumhaft. 3 Euro lege ich dafür auf den Tisch, der Tee ist umsonst und ein Ayran kostet gerade mal 50 Cent.  Alternative: Tuna’s Gemüsekebap im Wrangelkiez. Halt, keine Angst; das ist nicht wirklich ein Gemüsekebap, sondern ein Kebap mit Hühnchen, Kartoffeln und etwas Aubergine mit super leckeren Saucen und sonstigen Köstlichkeiten gespickt.

Die Berliner behaupten übrigens auch, dass sie den Döner erfunden haben. Anfang der siebziger Jahre soll entweder am Kottbusser Damm oder am Zoo der erste Döner verkauft worden sein. Ein Gastarbeiter hatte die Idee, das geraffelte Fleisch mit Zwiebeln in ein Brot zu stecken. “The rest is history”.

Oder doch nicht? Gemäss den Geschichtsbüchern soll in der Türkei schon Mitte des 19. Jahrhunderts Fleisch im Brot serviert worden sein. Dieser Schisch Kebab wurde aber noch auf einem üblichen horizontalen Grill zubereitet. Etwas später soll ein Koch namens Hamdi in Kastamonu erstmals geschichtetes Fleisch an einem senkrecht stehenden Spiess gegrillt haben.

Wie dem auch sei. Heute gibt es in Berlin auf jeden Fall mehr Dönerbuden als in Istanbul. Wie bitte, ihr glaubt, dass nicht der Döner, sondern McDonald’s der König von Berlin ist, wenn es um Fast Food geht? Auf keinen Fall. In Berlin gibt es lediglich 60 McDonald’s-Restaurants. Ein Klacks gegen die 1200 Dönerstände.

 

12 in 12 – Die Stasi arbeitet jetzt im Museum

Die Idee hörte sich gut an. Alle Menschen werden gleich behandelt und es soll niemanden geben, der auf Kosten anderer lebt.  Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit zwischen allen Menschen. Dieses Ideal wurde den Menschen in der DDR als Mantra verkauft und tagtäglich eingetrichtert. Von diesem Ideal träumten sie alle – zumindest in den ersten Jahren der Deutschen Demokratischen Republik. Dass das im Endeffekt nicht funktioniert hat, wissen wir alle.

Ich habe mir des Öfteren überlegt, warum das so war. Warum scheitert diese Gesellschaftsform in der Praxis. Sind wir einfach nicht ehrlich genug und nicht bereit, unseren eigenen Vorteil für das Wohl aller hintenan zu stellen oder scheitert die Umsetzung des sozialistischen Gedankenguts schon an der Organisation eines solchen Staates?

Eines erstmal vorneweg. Wer glaubt, dass die Stasi in der DDR erst eingeführt wurde, als man merkte, dass sich die Leute ohne Kontrolle nicht an die Spielregeln halten würden, der liegt falsch. Der Staatssicherheitsdienst war von Anfang an Teil des Systems und wurde unter Anleitung der Russen noch vor der Gründung der DDR ins Leben gerufen. Die Umsetzung des Sozialismus und der Weg zum Kommunismus war damit von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Wer daran noch Zweifel hat, dem kann ich nur wärmstens den Besuch des Stasimuseums in Berlin Lichtenberg empfehlen. Hier befand sich die Zentrale der Stasi und hier wurde bespitzelt, was das Zeug hält. Über 100’000 DDR-Bürger waren in den Hochzeiten Vollzeitangestellte des Ministeriums für Staatssicherheit; nochmal doppelt so viele waren als Informanten tätig.

Schonungslos und nüchtern  wird das System in der DDR im Museum auf einer grossen Tafel beschrieben:

“Die Herrschenden schufen ein System aus Gewalt, Drohung, Belohnung und Bevorzugung. Der Einzelne sollte zur Anpassung, Unterwerfung und, wo möglich zum Mittun erzogen werden. Die SED hatte uneingeschränkten Zugriff auf nahezu alle Lebensbereiche, um die Bevölkerung umfassend zu kontrollieren und bei Bedarf zu Belohnen oder zu massregeln.”

Das hört sich nicht gerade nach Idealismus und Marxismus pur an, sondern mehr nach Orwell und 1984. Im Haus 1 des Museums befand sich die Schaltzentrale der Stasi. Oberschurke Ernst Mielke hatte im zweiten Stockwerk sein Büro. Alles ist fein säuberlich angeordnet, als würde er gleich wieder reinkommen und sich die jüngsten Ergebnisse der Abhörarbeit seiner Spitzel durchackern.

Es ist ein beklemmendes Gefühl, hier zu  sein. Ich denke mir, dass der Besuch wohl allen gut tun würde, die noch immer in der Nostalgie des Ostens schwelgen und die nach bald 30 Jahren Wiedervereinigung nur noch die schönen Dinge der Deutschen Demokratischen Republik in Erinnerung halten. So ist das oft mit der Zeit, die alle Wunden heilt. Man blendet das Schreckliche aus und behält das Schöne in seinen Gedanken. Die DDR war aber ganz bestimmt mehr “Das Leben der Anderen” als “Goodbye Lenin”.

P.S. Obwohl die Stasi in den letzten Tagen ihrer Existenz noch mit allen Mitteln versucht hatte, Akten en masse zu vernichten (der Reisswolf ist im Museum ausgestellt), sind Ordner mit einer Gesamtlänge von über 100 Kilometer übrig geblieben, in denen auch das kleinste Detail über “gefährliche Personen” aufgezeichnet wurde. Heute kann man den Antrag stellen, die Akten einzusehen. Die meisten dieser Akten stehen hier in Berlin Lichterfeld im Archiv. Genau wie früher.

 

 

 

12 in 12 – Flohmarkt im Treppenhaus

Bei uns im Treppenhaus ist jeden Tag Bescherung. Vor dem Hoffenster im ersten Stock liegen immer wieder Sachen, die von den Mitbewohnern im Haus nicht mehr gebraucht werden. Ein schöner Wollpulli, ein Stapel Taschenbücher, Turnschuhe, ein Seidenschal und eine Sporttasche sind heute im Angebot. Alles umsonst zum mitnehmen.

Das ist nicht nur bei uns im Haus so, sondern in den meisten Wohnhäusern in Kreuzberg wird verschenkt, was nicht mehr gebraucht wird. Recycling einmal anders. Wenn die Sachen nicht mitgenommen werden, wandern sie nach ein paar Tagen vor die Tür auf den Fenstervorsprung neben dem Eingang. Spätestens da findet alles innert kürzester Zeit einen Abnehmer. Eine tolle Angewohnheit, wie ich finde.

Noch etwas weiter führen die Idee des “Local Recycling” die Betreiber der Give Box. In übergrossen Schränken kann man sozusagen umsonst einkaufen.

In der Givebox kann jeder ungenutzte Dinge anonym verschenken. Das Konzept fordert Nachhaltigkeit, schont Ressourcen, stärkt die Nachbarschaft, hilft anderen Menschen, befreit von Krempel und schafft ein neues Bewusstsein jenseits von klassischen Konsum und Besitz.
Die Regeln:
Jeder kann geben und nehmen – Dinge die nach zwei Wochen noch da sind, sollen wieder entfernt werden, da die Givebox nicht -zumüllen-€œ und immer genug Platz da sein soll. Weiterverkauf ist nicht erwünscht.

Das Problem der stationären Givebox: Mit der Zeit wird aus der Givebox eine kleine Müllhalde. Deshalb mussten die Betreiber viele der Boxen schon wieder abbauen. Schade eigentlich. Mobile Boxen sind da die bessere Lösung oder eben doch der Hausflurflohmarkt, den die Bewohner unter Kontrolle haben.

So, ich werde gleich mal sehen, was heute bei uns im Flur steht. Vielleicht ist ja eine Regenjacke dabei, denn heute zeigt sich Berlin wieder mal nass…

 

12 in 12 – Wo Kindheitserinnerungen wach werden

Der Kirschbaum stand direkt neben dem Haus meiner Oma in Niendorf, einem Stadtteil von Hamburg. Es war kein gewöhnlicher Kirschbaum, sondern ein Sauerkirschbaum. Meine Oma sah es nicht  gerne, wenn ich auf den Baum kletterte und Kirschen satt ass. Schliesslich kamen die Kirschen immer in die riesige Tiefkühltruhe, die ganz unten im Keller stand. Deshalb musste ich mir jeweils was einfallen lassen. Meist tat ich so, als ob ich im Garten spielen gehe, um dann, in einem günstigen Moment, um die Ecke zu schleichen und so schnell es ging auf den Baum zu klettern. Mann waren die Kirschen gut. Der saure Geschmack hat sich bis heute in meine Erinnerung gebrannt.

Als ich gestern über den Markt am Maybachufer lief und an einem Stand wunderschöne Sauerkirschen aus Thüringen entdeckte, hüpfte mein Herz vor Glück. Ich stibitzte eine Kirsche aus dem Korb und da war er wieder, dieser wunderbar saure und dennoch etwas süssliche Geschmack der Sauerkirsche. Ich war wieder fünf Jahre alt und sass in der Baumkrone des Kirschbaums meiner Oma in Niendorf. Ein Kilo Sauerkirschen später hab ich jetzt Bauchschmerzen…

ihr habt bestimmt auch solche Kindheitserinnerungen, an die ihr Jahrzehnte lang nicht denkt, die ihr aber auf Knopfdruck hervorzaubern könnt. Schon faszinierend, was in unserem kleinen Gehirn so alles gespeichert ist.

Es gibt Früchte, die sind für mich sowas von Deutsch. Johannisbeeren,  Stachelbeeren und eben die besagte Sauerkirsche sind  für mich richtig Deutsche Früchte. Sie gehören alle zu meinen Lieblingsfrüchten. Sie haben gemeinsam, dass sie ziemlich sauer sind und man sie entweder liebt oder hasst. Ich liebe sie alle und bin total begeistert, dass ich sie hier in jedem Laden kaufen kann.

Ein Blick in die Geschichtsbücher und auf Statistiken zeigt, dass Sauerkirsche, Johannisbeere und Stachelbeere nicht alle wirklich so Deutsch sind, wie ich das immer gedacht hatte. Die Sauerkirsche beispielsweise gibt es auf der ganzen Nordhalbkugel. In Russland vor Polen, der Türkei, der Ukraine und Iran werden, gemessen an der Erntemenge, die meisten Sauerkirschen geerntet. Deutschland schafft es knapp in die Top 10.  Auch wenn es um Johannisbeeren geht, dann liegen Russen und Polen weit vor Deutschland. Da bleibt nur noch die Stachelbeere. Holt sie sozusagen das Eisen aus dem Feuer? Ja, auf die Stachelbeere ist Verlass.Mit 88’000 Tonnen im Jahr wird die Hälfte aller Stachelbeeren weltweit in Deutschland geerntet. Einzig Russland kann mit 55’000 Tonnen einigermassen mithalten. In de Schweiz beispielsweise werden jährlich gerade mal 71 Tonnen Stachelbeeren geerntet.

 

12 in 12 – Alles ist möglich in Berlin – alles

Lakritzdealer nennt sich der Laden an der Muskauer Strasse in Kreuzberg. Er verkauft ausschliesslich Lakritz. Vor einem Jahr hat Begga Beyersmann ihren Laden eröffnet und kann davon gut leben, wie es scheint, obschon nur wenige hundert Meter weiter, an der Graefestrasse, ein weiteres Lakritzgeschäft um Kunden buhlt.

In Berlin ist sowas noch möglich. Während in London oder New York die Zeit der Jungunternehmer, die einfach mal was wagen und mit ein paar tausend Euro Erspartem ein Geschäft eröffnen, schon lange vorbei ist, herrscht in der Spree-Stadt noch Aufbruchstimmung, In Berlin ist noch alles möglich – alles.

Zwar sind die Ladenmieten auch in Berlin in den letzten Jahren kräftig gestiegen und an Toplagen zahlt man bald so viel wie in anderen Metropolen. Doch es gibt immer noch immer genügend Orte, wo man für 10 Euro pro Quadratmeter und Monat einen tollen Laden mieten kann. Sogar an hervorragenden Lagen wie der Prenzlauer Allee kostet der Quadratmeter nicht mehr als 20 Euro.

Deshalb spriessen in Berlin so viele neue und unabhängige Geschäfte aus dem Boden, wie in keiner anderen Stadt. Die Mietkosten sind tief, die Personalkosten ebenfalls. Hier kann man auch mit kleinem Sparschwein und ohne Venture Capital Unternehmer werden.

Berlin ist das Startup-Center Europas. Wer eine Idee hat, der kann die hier umsetzen. Kathrin und Dominic beispielsweise, die vor einigen Jahren die Idee einer Fairwindel hatten und 2016 dann in Berlin den Launch ihres Ökoprodukts hatten, schweben von Erfolg zu Erfolg. Das ging mit wenig Geld und dank Grass Roots made in Berlin.

Auch die Jungs von Neue Heimat, einem Event-Organizer, der sich mit Street Food Veranstaltungen gross gemacht hat, sind dank den tiefen Eintrittsbarrieren in Berlin zur Erfolgsgeschichte geworden. So einfach gehts in der Deutschen Hauptstadt.

Natürlich wird nicht jedes Unternehmen ein Rocket Internet und geht dann an die Börse. Doch das will ja auch nicht unbedingt jeder. Für viele in Berlin ist die Eröffnung eines Ladens, eines Restaurants oder die Gründung eines Unternehmens Mittel zum Zweck, genügend Geld zu verdienen, um gut über die Runden zu kommen – und dazu gibt es wohl keine bessere Stadt als Berlin.

Der Club Internet Explorer im Osten von Neukölln beispielweise. Irgendwo im Niemandsland im obersten Stockwerk eines Lagerhauses finden Konzerte statt. Das Bier kostet 1.50 Euro, der Eintritt ist freiwillig (zwischen 6 und 8 Euro wird vorgeschlagen) und die Bands sind Spitzenklasse. Geld verdient damit niemand so richtig. Doch egal – Hauptsache es macht Spass.

Ähnliches gilt für den Topdeck Market auf dem Dach eines Parkhauses hinter dem Kottbusser Tor. Am Sonntag wird das Parkdeck zum Sonnendeck umfunktioniert, ein paar Stände verkaufen Vintage, andere was zu Essen und das Wassereis kostet gerade mal 20 Cent. Um sowas auf die Beine zu stellen, reichen ein paar Hundert Euro, Klebeband und Spraydosen, um den Weg zu kennzeichnen. Dazu kommt noch  eine Prisel Kreativität und Unternehmensgeist. Only in Berlin….

Wenn es um die Umsetzung der ganz grossen Ideen geht, dann steht Berlin mit London, Paris und Stockholm in Konkurrenz. Doch wenn es um die Erfüllung des kleinen Traums geht, dann ist keine Stadt wie Berlin. Vom Tellerwäscher zum Unternehmer wird hier tagtäglich gelebt und das ist inspirierend.

 

12 in 12 – Wir lassen uns das nicht länger gefallen

Wir wohnen mitten in Kreuzberg und zwar Kreuzberg 36, dem wohl verrufensten und gleichzeitig angesagtesten Kiez in ganz Deutschland. Hier gibt es die kreativsten Restaurants und coolsten Läden der Stadt, gleichzeitig aber auch Bewohner, die sich nichts gefallen lassen und für ihr Recht kämpfen.

Randgruppen aller Art sind hier zu Hause. Demonstriert wird gegen Alles und Jedes und das mit vollem Einsatz. Als hier in der Nähe vor rund einer Woche der Kiezladen Friedel 54 von 500 Polizisten gestürmt wurde, war aber auch für die bis zuletzt ausharrenden Ladenbsitzer (oder waren es Besetzer?) nicht mehr viel auszurichten. Die Räumung war gesetzlich beschlossen und das war (zumindest vorerst) das Ende des Kiezladens.

Wie der Mix aus Interessen, Rassen und Meinungen in Kreuzberg entstanden ist, darauf gehe ich ein anderes Mal ein. Doch auf jeden Fall ist Kreuzberg ein einmaliges Quartier. Hipster und Hippies, Türken und Deutsche, Linke und Konservative, LGBT und Macker – alle leben hier Tür an Tür.

Leben und leben lassen ist das Motto in Kreuzberg. Das ist erfrischend und das habe ich in diesem Ausmass noch nirgends so gesehen. Den schlechten Ruf der ewig angetrunkenen Randalemacher hat Kreuzberg nicht verdient, auch wenn hier und da mal etwas über die Stränge geschlagen wird.

30 Jahre ist es her, seit die Randale am 1. Mai ausser Kontrolle geraten war. Damals hatten sich am Lausitzer Platz linke Autonome spontan versammelt und es kam zu blutigen Strassenschlachten gegen die Polizei – eine der härtesten in der Geschichte Deutschlands. 36 geplünderte Geschäfte, 35 Brände, Hunderte Verletzte.

Seither ist es verhältnismässig ruhig geworden am 1. Mai. Dazu hat auch das friedliche “Mayfest as Myfest”, organisiert von Friedensstiftern aus dem Kiez, von Geschäftsleuten und Bürgerinitiativen, beigetragen.

Ehrlich gesagt bin ich dennoch froh, dass wir am 1. Mai nicht hier waren, auch wenn das alles dies Mal äusserst friedlich verlaufen sein soll. Man soll das Schicksal ja auch nicht herausfordern.

12 in 12 – Schnauze Berliner Schnauze

“Wenn Du nicht gleich los fährst, dann hau ich dir eine in die Fresse!” Keine zwei Sekunden war es grün an der Ampel – keine zwei Sekunden und schon drängelt sich der Fahrradfahrer hinter mir an mir vorbei, touchiert mich dabei und schreit mich an wie ein Bekloppter.

Kein Einzelfall in Berlin. Von den Einheimischen wird das immer verniedlichend mit der Berliner Schnauze gerechtfertigt. Man sei hier eben direkt und “no bullshit” und so. Daran müsse man sich gewöhnen. Naja, “dann hau ich dir einn in die Fresse” find ich gar nicht so niedlich und Charme hat das überhaupt keinen.

Anderer Tag, andere Situation. Ich bin im Kaufhaus des Westens, dem Luxus-Shoppingtempel Berlins am Kuhdamm schlechthin. In der wunderschönen Lebensmittelabteilung will ich mir was zu trinken kaufen. Gleich neben der Flasche Mezzo Mix, die ich mir schnappen will, steht ein Angestellter, der gerade das Regal auffüllt. Er rollt erstmal mit den Augen, als ich versuche, mir die Flasche zu nehmen und brummt sich etwas äusserst unfreundliches in den Bart. Wie konnte ich nur wagen, ihn beim Einräumen des Regals zu stören? So eine Unverfrorenheit von mir. Ich bin ja hier nur der Kunde und er arbeitet nicht bei Aldi, sondern im Vorzeigetempel Berlins, dem Kaufhaus des Westens. Am liebsten hätte er mir wohl auch eine in die Fresse gehauen.

Und weil alle guten Dinge drei sind, hier noch ein Beispiel der ach so entzückenden Berliner Schnauze. Ort des Geschehens: Der Supermarkt. Problem: Ich frage, wo denn die Cola steht. “Dahinten” sagt der Verkäufer total genervt. Na das ist ja eine genaue Angabe. Ich nehme doch an, dass es dahinten ist, wenn ich an der Kasse frage, und es sozusagen nur dahinten gibt. Ich gehe nach rechts und werde sofort gestoppt. “Na wie doof biste eigentlich. Nicht rechts, sondern links du Arsch.” Na klar. Berliner Schnauze. Das ist alles nicht so gemeint, sondern gehört zum Charakter.

In allen zehn bisherigen Städten von 12 in 12 zusammen habe ich nicht so aggressive Reaktionen erlebt. Auch nicht in den notorisch als unfreundlich bekannten Städten wie New York und Paris. Was ist denn bloss los, ihr Berliner?

Ja, OK. Jetzt hab ich mir meinen Frust von der Seele geschrieben und muss der Gerechtigkeit halber auch noch sagen, dass die Leute hier auch sehr nett sein können. Die grosse Mehrheit ist total freundlich und nimmt sich im Zeit für dich. Doch einige haben es nicht verstanden, dass wir hier alle zusammen leben und Aggression nicht der Weg ist, durch den Tag zu gehen und die Berliner Schnauze keine Entschuldigung für ungehobeltes Benehmen ist.

12 in 12 – Verstehen, wie schlimm es sein kann

Berlin ist so multikulturell wie keine andere deutsche Stadt. Türken, Kurden und Syrer wohnen hier in Kreuzberg Schulter an Schulter. Im Moment laufen in Berlin im Kino zwei Filme, die das Leben in diesen Ländern in einer Form zeigen, wie ich sie noch nicht gesehen habe. Bei beiden Werken bin ich bis zum Ende des Abspanns sitzen geblieben, was ich sonst nie mache. Ich möchte Euch diese Filme gerne ans Herz legen.

Insyriated

Philippe Van Leeuws “Insyriated spielt in Damaskus. Schauplatz ist die Wohnung der Familie Yazan. Nur zweimal wagt sich die Kamera in den Hausflur. Sonst bleibt sie in der Wohnung, deren Vorhänge fast immer ganz geschlossen sind.

Hier leben Oum Yazan, ihr Vater, ihr kleiner Sohn und die beiden Töchter im Teenageralter, der Freund der einen ist zu Besuch, das Hausmädchen kann wegen der Bomben nicht nachhause. Ein junges Paar mit Baby, das über ihnen gewohnt hat, ist nach Bombeneinschlägen auch noch eingezogen. Ansonsten ist das Haus leer. Ringsum fallen die Bomben.

Der Alltag ist schwer in der Wohnung. Todesangst ist allgegenwärtig Gewalt lauert um jede Ecke. Da zuzusehen ist ein beklemmendes Gefühl. Man wähnt sich selber in der Wohnung und stellt sich vor, wie man das alles verarbeiten würde. Das Ende der Welt in einer Wohnung in Damaskus. Dass man so nicht leben kann, ist wohl allen klar, die Insyriated gesehen haben.

 

Dil Leyla – Ein Dokumentarfilm

Leyla ist Kurdin, hat ihre Heimat als Kleinkind verlassen  und ist in Deutschland aufgewachsen. Mit 26 trifft Leyla Imret den Entscheid in ihre Heimat Cizre, eine Kurdenhochburg an der türkischen Grenze zu Irak und Syrien zurückzukehren. Sie zieht für die kurdenfreundliche, linksgerichtete HDP ins kommunale Parlament ein und wird zur jüngsten Bürgermeisterin des Landes gewählt.  Voller Hoffnung geht sie ans Werk und lässt Bäume pflanzen und Märkte renovieren. Sie will ihrem Volk, das sich immer nur im Krieg befand, eine bessere Zukunft geben. Bewundernswert. Doch wie das Leben eben so spielt kommt alles anders. Eine wahre, eindrückliche Geschichte.