12 in 12 – Wo Kindheitserinnerungen wach werden

Der Kirschbaum stand direkt neben dem Haus meiner Oma in Niendorf, einem Stadtteil von Hamburg. Es war kein gewöhnlicher Kirschbaum, sondern ein Sauerkirschbaum. Meine Oma sah es nicht  gerne, wenn ich auf den Baum kletterte und Kirschen satt ass. Schliesslich kamen die Kirschen immer in die riesige Tiefkühltruhe, die ganz unten im Keller stand. Deshalb musste ich mir jeweils was einfallen lassen. Meist tat ich so, als ob ich im Garten spielen gehe, um dann, in einem günstigen Moment, um die Ecke zu schleichen und so schnell es ging auf den Baum zu klettern. Mann waren die Kirschen gut. Der saure Geschmack hat sich bis heute in meine Erinnerung gebrannt.

Als ich gestern über den Markt am Maybachufer lief und an einem Stand wunderschöne Sauerkirschen aus Thüringen entdeckte, hüpfte mein Herz vor Glück. Ich stibitzte eine Kirsche aus dem Korb und da war er wieder, dieser wunderbar saure und dennoch etwas süssliche Geschmack der Sauerkirsche. Ich war wieder fünf Jahre alt und sass in der Baumkrone des Kirschbaums meiner Oma in Niendorf. Ein Kilo Sauerkirschen später hab ich jetzt Bauchschmerzen…

ihr habt bestimmt auch solche Kindheitserinnerungen, an die ihr Jahrzehnte lang nicht denkt, die ihr aber auf Knopfdruck hervorzaubern könnt. Schon faszinierend, was in unserem kleinen Gehirn so alles gespeichert ist.

Es gibt Früchte, die sind für mich sowas von Deutsch. Johannisbeeren,  Stachelbeeren und eben die besagte Sauerkirsche sind  für mich richtig Deutsche Früchte. Sie gehören alle zu meinen Lieblingsfrüchten. Sie haben gemeinsam, dass sie ziemlich sauer sind und man sie entweder liebt oder hasst. Ich liebe sie alle und bin total begeistert, dass ich sie hier in jedem Laden kaufen kann.

Ein Blick in die Geschichtsbücher und auf Statistiken zeigt, dass Sauerkirsche, Johannisbeere und Stachelbeere nicht alle wirklich so Deutsch sind, wie ich das immer gedacht hatte. Die Sauerkirsche beispielsweise gibt es auf der ganzen Nordhalbkugel. In Russland vor Polen, der Türkei, der Ukraine und Iran werden, gemessen an der Erntemenge, die meisten Sauerkirschen geerntet. Deutschland schafft es knapp in die Top 10.  Auch wenn es um Johannisbeeren geht, dann liegen Russen und Polen weit vor Deutschland. Da bleibt nur noch die Stachelbeere. Holt sie sozusagen das Eisen aus dem Feuer? Ja, auf die Stachelbeere ist Verlass.Mit 88’000 Tonnen im Jahr wird die Hälfte aller Stachelbeeren weltweit in Deutschland geerntet. Einzig Russland kann mit 55’000 Tonnen einigermassen mithalten. In de Schweiz beispielsweise werden jährlich gerade mal 71 Tonnen Stachelbeeren geerntet.

 

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