Category Archives: New York

12 in 12 – An Hamilton kommt keiner vorbei

Ich hatte meine Chance. Als ich vor zwei Jahren auf einen Zwischenstop nach New York kam, gab es in der Stadt nur einThema: Das Hip-Hop-Musical Hamilton, das alle Regeln der modernen Kunst bricht, sie wider zusammensetzt und niemanden aber auch gar niemanden kalt lässt. Eine Freundin, die fürs Public Theater arbeitet, hatte mir ein Ticket organisiert. Dummerweise hatte ich für den gleichen Abend schon Theaterkarten und zwar für Fish in a Bowl mit Seinfeld-Creator Larry David.  Larry konnte ich einfach nicht im Stich lassen und verzichtete auf Hamilton. Ja, ein Fehler, ich weiss…ziemlich ähnlich wie damals 1991, als ich mich für The Wonder Stuff und gegen Nirvana entschieden hatte, als die beide zeitgleich in Boston auftraten (doch das ist eine andere Geschichte).

Zwei Jahre sind vergangen. Seither ist Hamilton die erfolgreichste Broadway-Aufführung aller Zeiten geworden. Karten sind unmöglich zu kriegen und wenn man sie dennoch unbedingt will, dann kosten auf dem Schwarzmarkt noch immer rund 2000 Dollar.

11 Tony-Awards und einen Pulizer-Preis später weiss in Amerika auch das kleinste Kind, wer Alexander Hamilton war.  Er war einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, massgeblich an der Verfassung des Landes beteiligt und der grosse Denker hinter dem modernen amerikanischen Finanzsystem – genau der Stoff aus dem erfolgreiche Musicals geschneidert werden.

Diese Mal hatte ich es schon aufgegeben. Weder die Lotterie, irgendeine Ticket-Website noch andere Quellenhatten zum Erfolg geführt. Kein Ticket für Hamilton. Die allerletzte Chance war das gute alte Anstehen. Ich hatte gehört, dass die Leute jeweils um 7 Uhr Morgens schon vor der Tür stehen, um dann um acht Uhr Abends endlich drin zu sein. Fast zufällig liefen wir um kurz vor fünf Uhr Nachmittags am Theater vorbei. Da gab es in der Tat eine Schlange. Doch mehr als 15 Leutestanden zu diesem Zeitpunkt noch nicht an.

Ich stell mich mal dazu. Der Polizist, der aufpasst, dass niemand einen Schwarzmarkt eröffnet, sagt: “Zwischen sieben und 20 Leute kriegen jeweils ein Ticket. Ihr habt eine Chance.” Neben mir tritt die Kulturkritikerin des Guardian nervös von einem Bein aufs andere. Sie steht auch an. “Ich kenne alle Publizisten und für Shows wie Groundhog Day habe ich beste Karten umsonst bekommen. Doch als ich nach Hamilton-Karten fragte, haben sie mich ausgelacht,” sagt sie.

Ich mache es kurz. Bis kurz vor acht lief gar nichts. Dann etwas Bewegung. Die Studenten, die ganz vorne in der Schlange stehen, verzichten auf die ersten Karten, da sie auf die günstigen Stehplätze warten. Nur noch 4 Wartende vor mir. Es schlägt acht Uhr. “Bitte an die Kasse”, sagt der Aufpasser. Ich gehe nach vorne, halte meine Kreditkarte hin und will gar nicht wissen, wie teuer der Platz ist. “Das ist die letzte Karte” sagt die Kassiererin. Wow. Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, kurz vor die Tür zu gehen und die Bad News zu verbreiten. Dann ab in den Saal. Fünfte Reihe mittendrin bei Hamilton.

Vorhang auf:

How does a bastard, orphan, son of a whore and a
Scotsman,
dropped in the middle of a forgotten
Spot in the Caribbean
by providence, impoverished, in squalor
Grow up to be a hero and a scholar?

Lin-Manuel Miranda heisst das Genie, das die Idee hatte, ein Musical aus der Geschichte dieses Immigranten zu machen, die Rollen mit einem bunten ethnischen Mischmasch zu besetzten, einen Ohrwurm nach dem anderen mit reinzuschmeissen und alles im Hip-Hop-Style zu schreiben. In punkto Musical wohl das Beste, was ich je gesehen habe.

Damit ihr einen kleinen Eindruck erhaltet, worum es geht und warum der Hype so unendlich gross ist, hier ein Video aus dem Jahre 2009, Jahre bevor das Musical fertig war im White House in Washington. Bitte, schaut Euch das an – ich flehe euch an. Da werden die Tränen kullern. Niemand wusste damals, wer Lin-Manuel Miranda war, geschweige denn Alexander Hamilton. Jeder, der sagt, Musicals seinen nichts für ihn und er sei viel zu männlich für sowas – wait and see:

 

 

12 in 12 – Die Subway ist New York nicht würdig

 

Für mich war die New Yorker Subway immer einer der Gründe, warum ich diese Stadt liebe und warum sie besser ist, als fast alle Metropolen dieses Planeten.

Besonders die sogenannten Express Trains, die im Eiltempo von West Fourth Street über 14th Street zum Times Square rasten und auch einen Trip in abgelegenere Stadtteile ein Vergnügen machten, fand ich immer toll. Das war immer so viel besser, als in London, wo die U-Bahn an jeder Haltestelle stehen blieb und so vor sich hin tuckerte.

Doch mittlerweile ist die New Yorker U-Bahn nur noch ein grosses Ärgernis. Während in London nicht nur der Takt der einzelnen Linien, sondern auch die Streckenführung, die Signalanlagen und die ganze Infrastruktur verbessert wurde, rattert die New Yorker U-Bahn oft nur noch im Schneckentempo vor sich hin. Die Signalanlagen sind über ein halbes Jahrhundert alt, die Wagen sind so laut, dass man sich kaum unterhalten kann und die Taktfrequenz ist auf einigen Linien so träge, dass man sich oft fragt, ob überhaupt noch ein Zug kommt (Zeitangaben Fehlanzeige). Allein seit 2012 haben sich die Verspätungen, die auf “Overcrowding” zurückzuführen sind, in New York vervierfacht.

Mindestens 50 Milliarden Dollar müssten investiert werden, um die Subway wieder auf den Standard zu bringen, den die Stadt verdient hat. Doch damit tut sich New York schwer.  Immerhin wurden vor Kurzem 30 Mrd. bereitgestellt, die in den nächsten fünf Jahren ausgegeben werden sollen.

Das ist bitter nötig. Der L-Train ist immer wieder ganz ausser Betrieb, der Q-Train überfüllt und ich habe noch nie so viele sogenannte Replacement Busse gesehen, die den Transport im Falle eines U-Bahn-Ausfalls gewährleisten.

Dabei hört man immer wieder die Ausrede, dass es schwer sei, mit den aus dem Boden gestampften Transportsystemen in Städten wie Schanghai oder Singapur mitzuhalten. Doch auch alteingesessene Systeme wie sie in Moskau oder Tokio zu bestaunen sind, funktionieren um Lichtjahre besser als die Subway in New York.

OK, es gibt Lichtblicke. Nach Jahrzehnten der missglückten Planung ist die 2nd Avenue Subway nun endlich fertig. Darauf ist New York stolz wie Oskar. Doch auch diese Linie scheint mir schon etwas “out of date” zu sein, wenn ich sie mit anderen Metropolen vergleiche.

Komm schon, New York, streng dich etwas mehr an. Ich habe ja gar nichts gegen das Rattern der etwas altmodischen Bahnwagen. Das gibt einem auch irgendwie das Gefühl, des hier zu Hause seins. Doch die 6 Millionen Pendler, die jeden Tag auf die Subway angewiesen sind, haben Besseres verdient.

12 in 12 – Bald ganz ohne Cash?

In der New Yorker Restaurantszene gibt es einen neuen Trend: Statt “Cash Only” sieht mann immer häufiger das Schild: “No Cash, Credit Card only”.

Ob das Bao House an der 14. Strasse oder Sweetgreen, Eatsa Fish Cheeks oder LaVecchia – sie alle setzen voll auf die Karte und akzeptieren keine harten Dollar mehr. Ein Grund dafür ist die Sicherheit. Sie haben es satt, immer wieder überfallen zu werden und für eine Versicherung dagegen tief in die Tasche zu greifen. Zudem ist es einfacher, so die Abrechnung zu machen. Da zahlen sie gerne die Gebühren von 1,5 bis 2%, die ihnen die Kreditkartenfirmen abknöpfen.

Harvard-Professor Kenneth Rogoff, der in seinem Buch “The Curse of Cash” die Nachteile des Bargelds beschreibt, sagt zwar nicht das totale Sterben des Bargelds voraus findet aber, dass Bargeld ein Hemmschuh des Wirtschaftswachstum sei.

Eine Untersuchung der Eliteuniversität MIT kommt denn auch zum Schluss, dass die Kunden in einem Restaurant, wenn sei ihre Kreditkarte zücken, im Durchschnitt doppelt so viel ausgeben, als wenn sie ihr hart verdientes Bargeld auf den Tisch legen müssen.

Mir persönlich wäre es ehrlich gesagt egal, wenn es kein Bargeld mehr geben würde. Ich zahle ohnehin viel lieber mit der Karte. Ja, ich weiss, dass das im Endeffekt auch zu höheren Preisen führen kann. Gerade in Ländern, in denen die Kreditwürdigkeit der Geschäfte nicht so hoch ist wie in den USA, kann der Aufschlag für die Zahlung mit der Karte mächtig hoch sein. In Argentinien beispielsweise zahlen die Geschäfte locker mal 10% und mehr.

Ich bin gespannt, wie es weiter geht. Das “Cash Only” Schild dürfte nicht ganz verschwinden. Doch nehmt auf jeden Fall immer Eure Karte mit. Sonst müsst ihr beim nächsten Restaurantbesuch vielleicht in der Küche abwaschen, um Eure Rechnung zu bezahlen.

 

12 in 12 – Food Porn war schon gestern

Im Prinzip könnte dieser Eintrag auch Tag 3 im Apple Store heissen – doch ich erlöse Euch mal von meiner Odyssee und machen einen Abstecher ins Land des Food Porns…

Man kann ihm sich kaum entziehen, diesem Trend, der sich in den letzten Jahren wie ein roter Faden durch das Internet zieht. Ob Instagram, Facebook, Twitter oder irgend eine x-beliebiger Blog: Food Porn ist überall.

Food Porn? Ja genau, diese aufreizenden Bilder von Gerichten, die einem schon beim Hinschauen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen und die ein Verlangen auslösen, das durchaus mit Pornographie vergleichbar ist. Der Begriff Food Porn ist aus unserem Sprachschatz kaum mehr wegzudenken.

Umso überraschter war ich, als ich gestern die Ausstellung von Marilyn Minter im Brooklyn Museum besuchte, und dort auf das Werk “100 Food Porn” stiess. In einer Serie von Ölbildern malte die kontroverse Künstlerin 1990, also vor 27 Jahren, Gemüse, Früchte und andere Köstlichkeiten, die einen an Pornographie erinnern. Das ganze Projekt nannte sie dann 100 Food Porn. Höhepunkt der Konzeptkunst war ein Werbespot, den sie zur besten Sendezeit im US-Fernsehen ausstrahlen liess und der Food Porn den Massen zugänglich machen sollte. Der Begriff Food Porn ist also keineswegs ein Hipster-Ding, sondern schon 27 Jahre alt.

Also, wenn ihr das nächste Mal jemanden im Kaffee sitzen seht, der krampfhaft Aufnahmen von seinem Sandwich macht, dann nur einen einzigen Biss davon nimmt und es stehen lässt, dann aber auf Instagram verkündet: “Best Sandwich* ever, dann denkt daran, dass das eigentlich schon sowas von out ist und wenn ihr mut habt, dann sagt es ihm auch.

 

12 in 12 – Tag 2 im Apple Store

Groundhog Day. Aufgestanden und der Griff zum iPhone. Backup machen für die Cloud, die mir das Genie gestern eingerichtet hat. Backup gemacht und plopp…da waren fast alle Daten vom iPhone verschwunden. Gleich mal einen Chat mit Apple aufgesetzt. Zwei Stunden später: kein Erfolg.

Wieder ab zum Apple Shop im World Trade Center. Ich erspare Euch die Details. Doch kurz vor 19 Uhr habe ich weder ein iPhone noch einen Computer. Mittlerweile ist der Senior Advisor Tom von Apple mit im Spiel.

Der will mich Morgen dann nochmals höchstpersönlich anrufen, um die Sache in den Griff zu kriegen. Er wollte mir ein Email mit seiner Telefonnummer schicken, falls er nicht zu dem Anruf kommt. Das Mail  ist bisher nicht in meiner Inbox gelandet. Mal sehen. Morgen ist wieder Groundhog Day. Ich bin gespannt.

Ich warte jetzt nur noch drauf, dass ich bald Apple-CEO Tim Cook am Draht habe, der die Ärmel hochkrempelt und das Ganze zur Chefsache erklärt.

12 IN 12 – Poppp! und da war das MacBook kaputt

Heute Morgen war die Freude gross. Popp – und der Bildschirm meines MacBooks war schwarz. Sofort einen Termin an der Genius Bar im Apple Shop des neuen World Trade Center gemacht, Zwei Stunden später war ich dort und der Genius stand schon bereit.

Bad news. Es sieht ganz danach aus, als ob das Keyboard total kaputt ist und auch sonst nicht mehr alles im Lot ist. Warum das so ist, weiss auch das Genie nicht genau, doch es koennte mit Fluessigkeit zu tun haben.

Nun sitze ich seit mindestens 4 Stunden hier im Apple Shop und habe mir eine Harddisk gekauft, um ein Backup zu erstellen. Ganze 69 von 500 GB sind schon durch…nach sechs Stunden. Wie es weiter geht, weiss ich leider nicht, doch ein Genie nach dem anderen kuemmert sich herzzerreissend um mich. Es sieht so aus, als ob das Update nicht mehr durchgeht, bis der Shop um 9pm zumacht.

Ich komme wohl im Endeffekt kaum darum herum, einen neues MacBook zu kaufen. Mit Computern ist das so wie  mit Autos. Wenn dir der Techniker sagt, das Ding sei kaputt, dann ist es kaputt. Also, sorry, ihr Trendengel. Es sieht so aus, als ob es in den naechsten Tagen keinen Eintrag gibt auf dieser Seite. Nicht mein Fehler natuerlich, sondern die Technik, die alte Technik….

Die naechsten Tage verbringe ich  im Apple-Shop…oder davor in einem Yelt. Das wolte ich schon immer mal erleben.

 

12 in 12 – Kaffee – Drip, Espresso oder Cold Brew?

Für mich war im Prinzip immer klar, dass ich Kaffee nur nach der Espresso-Methode trinke und dass alles andere zweitklassig ist. Nirgends ist so viel Koffein und auch Geschmack drinnen, wir in einem auf Espresso basierten Kaffee, sei das nun ein ganz kurzer Ristretto oder ein Latte mit zwei oder drei Espresso-Shots. Diese Meinung wurde während meines meines Rom-Aufenthalts nochmals bekräftigtFilterkaffee? Pfui Spinne. So hat vielleicht mal meine Grossmutter Kaffee gemacht. Doch halt, ist das wieder einmal eines dieser Vorurteile? Wer in den Hipsterbars dieser Welt verkehrt, der stellt fest, dass der sogenannte Drip Coffee, wie die Trendsetter den guten alten FIlter-Kaffee nennen, den Espresso teilweise ganz verdrängt hat. Besonders, wenn es um einen grossen Kaffee in der Kaffeetasse geht, wählen immer mehr Kunden den Kaffee aus dem Filter.


Die Barristas leeren das Heisse Wasser ganz langsam direkt in den FIlter, der entweder über einer Tasse oder einer kleinen Kanne steht.Manchmal wird dazu noch etwas mit einem Löffel umgerührt, damit die Kaffeekörner besonders gut mit dem Wasser in Berührung kommen. Langsam tropft dann der Kaffee in die Tasse. Der Geschmack ist überraschend kräftig und delikat. Mit keiner anderen Methode schmeckt man die Unterschiede der Röstung und der Herkunft der Bohne so gut heraus, wie mit der Filtermethode.

Doch da sich über Geschmack ja bekanntlich streiten lässt, will ich die Sache mal wissenschaftlich angehen. Wir trinken Kaffee ja nicht zuletzt wegen dem Muntermacher Koffein. Espresso hat mehr Koffein, da der Wasserdruck alles aus der Bohne rauspresst. Tatsächlich?

Ein Espresso hat im Schnitt 64 Milligramm Koffein. Ein Espresso von Starbucks hat gar etwas mehr und zwar 75 Milligramm. Der Venti Latte von Starbucks enthält drei Espressoshots und damit 225 Milligramm Koffein. Wie sieht das bei einem fachgerecht gemachten Filterkaffe aus? Wenn man als fairen Vergleich wieder Starbucks heranzieht sieht das so aus. Der Pike Place House Brew hat auf Basis des Venti 415 Milligram Kaffein, der Blonde Roast gar 445. Das ist annähernd doppelt soviel Koffein wie ein Espressogetränk und sieben Mal soviel wie ein normaler Espresso.

Cold Brew bei Blue Bottle

Wer ein Superhipster ist, der bestellt ja nur noch Cold Brew, den kalt gefilterten Kaffee. Der hat übrigens noch mehr Koffein als ein normal gefilterter Kaffee. Der Cold Brew von Blue Bottle Coffee  zum Beispiel, der mit Nitro gekühlt wird und dadurch einen Schaum wie ein Guinness entwickelt, ist echt klasse und hat bis zu 500 Milligram Koffein.
Wer also beim Italiener um die Ecke einen doppelten Espresso bestellt, um richtig wach zu werden, der sollte lieber zu Starbucks gehen und einen Filterkaffe bestellen….

12 in 12 – Birding als Lebenselixir

Zu dritt sitzen sie auf einer Bank mitten im Tompkins Square zwischen Avenue A und B. Sie haben ein Fernglas und einen Fotoapparat mit riesigem Teleobjektiv um den Hals. Alle sind so zwischen 50 und 60 Jahre alt, tragen eine blassgrüne Parka, weisse Turnschuhe und schon etwas abgetragene Jeans.

Sind sie das jetzt etwa diese berühmten Paparazzi, die den Stars nachjagen, um das beste und unvorteihafteste Foto zu schiessen? Doch auf wen warten sie? Hier in Alphabet City sind nicht unbedingt die grossen Stars zu Hause. Doch man weiss ja nie. Lady Gaga soll sich hier für eine Wohnung interessieren und Madonna wohnte ja auch mal hier in der Nähe.

Plötzlich springen sie alle drei auf und laufen ganz aufgeregt Richtung Parkmitte. Haben sie Gaga entdeckt? Ich auf jeden Fall kann sie nicht sehen. Doch die Jungs sind ja auch Profis.  Sie richten das Fernglas nach oben. Nach oben? Ja, nach oben. “I got it”, sagt einer und wechselt sein Fernglas gegen seine Kamera aus. Klick und nochmals klick. Der Money Shot ist m Kasten. Ich traue mich erst nicht, die drei zu stören. Doch dann tue ich  es trotzdem. “Was fotografiert ihr denn da oben?” will ich wissen. “I discovered a Magnolia Warbler” oder auf Deutsch: “Ich habe einen Magnoliensänger entdeckt”. Ich schaue hoch in die Baumkrone der grossen Birke. Tatsächlich. Da ist er. Keine Lady Gaga, sondern ein Vogel. Die gelbe Kehle, die hervortretenden schwarzen Längsstreifen auf der gelben Brust und die breit schwarz gerandeten Schwanzfedern. Ein Prachtsexemplar.

“Wir sind Birder oder von mir aus auch Bird Watcher“, sagt Bob, der sich inzwischen vorgestellt hat. Er mache das seit Jahren, wieviele genau will er mir nicht sagen. Er sei jeden Tag hier im Tompkins Square. Manchmal gehe er aber in den Central oder Prospect Park und ein paar Mal im Jahr auch auf einem “Field Trip”. Es gäbe rund 300 verschiedene Vogelarten in New York, eine der artenreichsten Vogelgegenden in den USA. Davon habe er schon fast 200 fotografiert. Noch viel zu tun also. Ich wage nicht, zu fragen, was er davon habe. Doch denken tue ich das schon.

85 Millionen Amerikaner sollen sich für Vögel interessieren. Das reicht vom gelegentlichen Füttern von Vögeln bis hin zum total angefressenen Vogelbeobachten tagein tagaus. “Du kannst immer und überall Vögel beobachten und wenns dunkel ist, dann hörst Du dir das Gezwitscher an und wenn du gut bist, weisst du genau, welcher Vogel da singt.” meint Bob. “Vögel sind mein Lebenselixir” sagt er noch.

Ehrlich gesagt, finde ich es schon etwas amüsant, dass hier drei erwachsene Männer nichts anderes tun, als Vögel zu beobachten – tagein tagaus. Doch ich muss auch sagen, dass schon nur die halbe Stunde, die ich auf der Bank sass und Vögel im Visier hatte, sehr beruhigend und erfrischend war. Vögel beobachten hat etwas unschuldiges und entschleunigendes. Und ist es nicht gerade das, was oftmals so wichtig ist. Das Leben entschleunigen und dem Stress des Alltags, des immer alles schnell und aufregend zu gestalten zu entfliehen – zumindest ab und zu?

Ich habe keine Ahnung, wie sich Bob und seine zwei Kumpanen so ein Leben leisten können. Doch “good for them”.  Seit ich mit Bob gesprochen habe, fallen mir die Vogelbeobachter in New York an jeder Ecke auf. Teilweise sind es Gruppen von 20 oder mehr, die alle mit dem Fernglas und der Superkamera bewaffnet an irgendeinem Busch stehen und glänzende Augen haben.  Was auch immer man vom Bird Watching halten mag – auf jeden Fall ist das um Meilen besser als Plain Watching. An einem Flughafen zu stehen und die Nummern der ankommenden Passagierflugzeuge aufzuschreiben ist einfach nur…na sagen wir mal…schräg.

Wie ernst man Birding nehmen kann, könnt ihr auch im Film The Big Year mit Steve Martin, Jack Black und Owen Wilson verfolgen:

 

 

 

12 in 12 – Wieviel Gentrifizierung ist zu viel?

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich vor über 15 Jahren an den Washington Square Park in Manhattan zog. Damals kam mir das Village noch wild und ungeordnet vor. Doch für die Alteingesessenen war da schon eines klar: Die Gentrifizierung macht unser Quartier kaputt.

Kein Künstler könne sich mehr leisten, hier zu wohnen, nur noch die finanzkräftige Wirtschaftselite habe das Geld, hier ein Apartment zu mieten oder zu kaufen. Die ersten Starbucks-Filialen setzten sich fest, das Multiplex-Kino, ein H&M und schicke Restaurants waren die Vorboten von dem, was noch kommen sollte.

Ich fand diese Klagerei immer etwas bemühend. Jaja, früher war alles besser. Früher, als Du aufpassen musstest, dass Du unten auf der Strasse nicht überfallen wurdest, früher, als Du noch jung warst und keine Verantwortung hattest, früher als der Kaffee noch einen Dollar kostete…

Ich fand das Village inspirierend. Ich konnte es kaum abwarten, die Cupcakes der Magnolia Bakery zu probieren, den Käse von Murray’s  zu kaufen, bei Babbo das Tasting-Menu für 35 Dollar zu kosten und mir bei Joe’s einen Kaffee zu holen. All das hatte für mich immer noch viel Authentizität und Dynamik, strotzte vor Kreativität und Energie und war Spannung pur. Es gab keinen Ort, an dem ich zu dieser Zeit lieber gewesen wäre, als im Village oder auch  in Soho.

15 Jahre später bin ich wieder in New York. Klar, ich war in der Zwischenzeit einige Male zu Besuch hier. Doch meist eher kurz, Freunde besuchen und gut essen. Da hatte ich jeweils nicht so richtig gemerkt, dass sich die Stadt verändert hatte.

Sie hat sich verändert und zwar wie. Genrifizierung in Vollendung würde ich mal sagen, was immer das heissen mag. Die Häuser sind noch immer traumhaft schön, das Kopfsteinpflaster hat noch immer Löcher und die Fassaden sehen auf den ersten Blick noch total nach Vintage aus. Doch wenn ich genauer hinsehe, dann steckt hinter dieser “unperfekten” Oberfläche viel Perfektion – zu viel. Alles ist so aufbereitet, wie man sich New York aus dem Bilderbuch vorstellt.

Jeder Laden ist ein Millionengeschäft. Wer nicht eine “Big Brand” vertritt, der hat hier keinen Platz mehr. Besonders Soho fühlt sich mittlerweile an wie Disney World. Eine grosse Open Air Mall fast ausschliesslich mit Touristen gefüllt, ohne Herz und ohne Seele.

Gentrifizierung. Jaja, früher war alles besser. Ich hasse es, wenn das jemand sagt. Ehrlich gesagt habe ich nichts gegen einen gewissen Grad an Gentrifizierung. Für mich bedeutet das auch Sicherheit und Qualität. Doch was zu weit geht, das geht zu weit. Ich habe keine Lust, dass die viellecht “greatest city on earth” bald so aussieht, wie irgend eine x-beliebige moderne Stadt in China. New York soll New York bleiben.

Zurück zur Frage: Wieviel Gentrifizierung ist zuviel… soviel wie in Soho und leider auch im Village ist die Antwort.

Zum Glück gibt es sie noch, die Ecken der Stadt, die ihre eigene Identität haben. Das East Village, die Lower East Side, Teile der Upper West Side und Brooklyn.

Deshalb sind wir dieses Mal auch nicht nach Manhattan gezogen, sondern nach Prospect Heights in Brooklyn. Doch dazu später mehr.