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12 in 12 – La Catrina stiehlt allen die Show

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An jeder Ecke sieht man heute in Mexico City weiss geschminkte, elegante und selbstbewusste Frauen, die ihren Mund schwarz verziert haben und wie ein Skelett oder ein Untoter aussehen. Die stolzen Damen erinnern mich etwas an Frida Kahlo. Es ist sie aber nicht. Die Figur heisst La Catrina und ist die ungekrönte Königin des Dia de Muertos, des Tag der Toten.

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La Catrina geht auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, als der Kupferstecher Jose Guadeloupe Posada die Gestalt erfand, um sich über die mexikanische Oberschicht, die immer bestrebt war, sehr europäisch zu wirken, lustig zu machen.

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Als die mexikanische Revolution 1910 begann, die 1911 zum Sturz des Diktators Porfirio Diaz führte,  tauchte das Bild der La Catrina immer wieder auf. Sie symbolisierte das  Ende der Diktatur und der Macht der Oberschicht (naja, das Letztere hat nicht ganz geklappt).

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Spätestens als Diego Rivera, der berühmteste Maler Mexikos, der mit Frida Kahlo verheiratet war, La Catrina in seinem Gemälde “Sonntagsträumerei in der Alameda” aufgreift, hat sich der Kult um La Catrina verselbstständigt.

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“Catrina” ist im Spanischen ein Ausdruck für eine wohlhabende oder reiche Person, allerdings mit abwertendem und sarkastischem Unterton. Die Mexikaner lachen dem Tod ins Gesicht. Dass La Catrina eine reiche Frau symbolisiert kommt nicht von ungefähr. Wenn der Tod kommt sind wir alle gleich steckt als “Message” auch etwas hinter dieser Symbolik.

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Heute steht La Catrina für Freiheit, Revolution und Unabhängigkeit und natürlich auch für starke Frauen. Viva La Catrina!!!

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Der Kupferstich als Ursprung der La Catrina
Der Kupferstich von Jose Guadeloupe Posada als Ursprung der La Catrina.

 

12 in 12 – Mexico City kopiert James Bond

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Eigentlich darf ich das ja gar nicht zugeben. Doch der Hauptgrund warum Mexico City auf unserer 12 in 12 Liste steht, ist die Eröffnungssequenz des letzten James-Bond-Films” Spectre”. Die Szene spielt in Mexico City am Dia De Los Muertos, dem Tag der Toten. Eine atemberaubende Parade mit meterhohen Pappmaché-Skeletten und anderen Ungeheuern ist in vollem Gang. Mr. Bond ist, wie könnte es auch anders sein, auf einer Mission. Sowas spektakuläres hatte ich im Kino schon lange nicht mehr gesehen. Da wusste ich: Nach Mexico City muss ich hin und zwar genau zum Tag der Toten. Das will ich erleben.

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Gross war die Enttäuschung,  als ich hier ankam und feststellte, dass es im Prinzip gar keine Parade gibt und auch nie gab. Der Dia De Los Muertos ist zwar das grösste und wichtigste Fest Mexikos, doch ein grosser Umzug? – Fehlanzeige.  Alles von James Bond erfunden.

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Moment mal, nicht so voreilig. Was les ich denn da. Zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos wird dieses Jahr ein paar Tage vor dem offiziellen Tag der Toten, der immer am 2. November ist, eine Parade durchgeführt und zwar ganz offiziell in Anlehnung an James Bond. Kaum zu glauben. Doch so soll der Tourismus angekurbelt werden. Das ambitiöse Ziel: eine Konkurrenzveranstaltung zum Carnival in Rio erschaffen. Mir soll’s recht sein. Hauptsache ich kriege meine Parade.

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Hunderttausende stehen an diesem perfekten Tag in Mexico City an  der Strasse. Alles ist farbig, die Kostüme sind spektakulär, Masken überall. Die überdimensionalen Schreckensfiguren aus Pappmaché zaubern ein breites Lachen auf die Gesichter der Zuschauer. Genau so war es im Film. Riesige Begeisterung, grosses Gedränge und eine faszinierende Ambience. Es hat sich gelohnt.

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Mehr Details zum Dia De Los Muertos bring ich Euch übrigens nach dem 2. November, wenn ich Friedhöfe besucht, Schreine gesehen und mit Leuten gesprochen habe – verprochen. Doch dies schon mal vorweg: Der Tag der Toten ist keine Trauerveranstaltung, sondern ein farbenprächtiges Volksfest zu Ehren der Toten. Nach dem Volksglauben kehren die Seelen der Verstorbenen an diesen Tagen zu den Familien zurück, um sie zu besuchen.

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Egal, ob das Vorbild zu der Parade James Bond war oder nicht. Hier wächst etwas heran, das sich vor einem Carnival in Rio nicht verstecken muss.

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Wer den Clip aus dem Bond-Film Spectre noch nicht gesehen hat – Here we go :

12 in 12 – Warum die Madonnelle das Herz von Rom sind

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Sie werden von den einheimischen verehrt und geliebt. Sie sollen schon so manches Wunder vollbracht haben, sind Schutzpatron und Wächter und sie sind schön, wunderschön. Die Rede ist von den kleinen Madonnen, den sogenannten Madonnelle, die in Rom an so gut wie jeder Hausecke in rund 5 Metern Höhe angebracht sind.

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Mehrere Tausend gibt es davon in Rom – jemand sei beim zählen mal auf genau 2753 gekommen. Die Tradition greift für einmal nicht auf die Römerzeit, sondern auf das 16. Jahrhundert zurück. So sollten die Römer immer wissen, dass die Jungfrau Maria sie auf dem Weg nach Hause von oben herab beschützen würde. Das wussten Gläubige und Ungläubige gleichsam zu schätzen, denn die Madonna ist sozusagen seit jeher das Maskottchen von Rom.  Ein schöner Nebeneffekt war, dass die kleine Lampe, die zur Beleuchtung der Mutter Gottes diente, oft die einzige Strassenbeleuchtung in der Nacht war. Einige Diebe soll das Licht und die wachsamen Augen Marias in der Tat abgeschreckt haben.

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Wunder werden so gut wie jeder Maria zugeschrieben. 1544 leuchtete die Lampe einer Madonna am Tiber auch nach der grossen Flut weiter. 1796 haben sich die Augen der Madonna dell Archetto mehrere Male bewegt, bevor Napoleons Truppen angegriffen haben. 1835 soll sich das selbe als Warnung vor einer Choleraepidemie abgespielt haben.

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Die Madonnen hängen seit hunderten von Jahren im Freien. Einige haben ein kleines Blechdach zum Schutz, andere sind hinter Glas. Doch die meisten sind Wind und Wetter ausgesetzt , was seine Supern hinterlässt. Doch genau das macht den Charme der Kunstwerke aus.  Ohne die Madonnelle wäre Rom nur halb so schön.

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Schwalbe fliegt nach… – 12 in 12 in der NZZ

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Der nächste Beitrag aus der Serie: Schwalbe fliegt nach… in der NZZ ist erschienen. Klickt hier drauf, um den Artikel zu lesen. Für die NZZ bzw. NZZ Bellevue nehme ich Objekte und Zeichen unter die Lupe, die für die locals alltäglich erscheinen, dem Besucher aber ins Auge springen. Daraus soll eine Art Atlas des Corporate Designs von zwölf Weltstädten und Stadtkulturen entstehen. Diese Episode beschäftigt sich mit Rom. Wie immer auch hier auf Trendengel sind die Fotos von mir selber geschossen und exklusiv. Viel Spass.

Hier nochmals der ganze Link, falls ihr lieber so klickt:
Genau hier drauf klicken, um zur NZZ-Seite zu gelangen

12 in 12 – Was steckt hinter dem Malteserorden?

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Ein dunkles, geschlossenes  Eisentor. Dahinter schwarze Limousinen und ein spektakulärer Renaissancepalast. Wir sind an der Via Condotti Nummer 68, Roms luxuriösester Einkaufsstrasse, nur wenige Schritte von der Spanischen Treppe entfernt. Doch hier ist nicht Gucci oder Fendi angesiedelt. Hier ist die möglicherweise mächtigste Organisation dieses Planeten zu Hause:  der Malteserorden.

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Nichts rührt sich im Innenhof. Die Fensterläden sind geschlossen. „Bestimmt alles schusssicher hier“ denke ich und schaue nach oben, direkt ins Objektiv einer Überwachungskamera. Bite lächeln… Da geht die Tür des schwarzen Mercedes im Innenhof auf. Zwei Männer in dunklen Anzügen steigen aus. Einer schaut in meine Richtung. Ich senke den Blick. Es ist Zeit, hier zu verschwinden, sonst könnte es noch Ärger geben.

Der Malteserorden. Ehrlich gesagt, weiss ich nicht viel über diese Organisation, ausser, dass sie der älteste katholische Orden ist, Rechte hat wie ein souveräner Staat und sagen- und skandalumwoben ist.

Wer Google konsultiert, der liest, dass der Malteserorden immer und überall die Finger im Spiel gehabt haben soll, sei es bei der Ermordung von JFK, dem Irakkrieg oder allen anderen wichtigen Ereignissen der letzten Jahrhunderte.  Zu den Mitgliedern sollen George Bush, Silvio Berlusconi, Tony Blair, Ronald Reagan, Rupert Murdoch und auch Frank Sinatra zählen bzw. gezählt haben. Doch offiziell ist das natürlich alles nicht.

Hier sind die Fakten. Der „Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem, von Rhodos und von Malta“ oder kurz Malteserorden, wurde 1099 gegründet und ist seit 1133 vom Papst anerkannt. Er zählt heute weltweit etwa 13.500 Mitglieder und hat als nichtstaatliches, souveränes Völkerrechtssubjekt seinen Sitz in Rom. Der Orden unterhält diplomatische Beziehungen mit 102 Staaten, hat eine eigene Währung, eine Verfassung und nimmt in der UNO einen Beobachterstatus ein.

Gegründet in Malta und im 18. Jahrhundert von Napoleon vertrieben, fand der Orden in Rom ein neues zu Hause. Ziel des Ordens ist es, Kranke und Flüchtlinge zu unterstützen. “Tuitio fidei et obsequium pauperum” (Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen) ist denn auch der Wahlspruch.

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Ich kann Euch auch nicht sagen, was genau wahr ist und welche Ziele der Orden sonst noch verfolgt. Offiziell distanziert sich der Malteserorden immer ganz klar von irgendwelchen Verschwörungstheorien. Doch als ich am nächsten Tag per Zufall an der Villa del Priorato di Malta auf dem Aventin-Hügel vorbeilaufe und die stolz im Wind flatternde Malteserflagge erblicke, frage ich mich schon, was die Herren in dunklen Anzügen da auf dem Balkon zu besprechen haben. Diskutieren sie nur über die nächste Hilfsaktion in Haiti oder geht es um wichtige geopolitische Verstrickungen. Ist das hier die Schaltzentrale dieser Welt oder sind das nur ein paar gut angezogene Herren, die sich um das Wohl der Minderbemittelten und um die Reinheit der katholischen Kirche kümmern?

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Wie gesagt: Ich habe keine Ahnung. Doch Organisationen wie den Freimaurern, der Bilderberg-Gruppe, Opus Dei und auch dem Malteser Orden schauen nur ganz wenige in die Karten. Vielleicht ist es auch besser so.

 

 

 

12 in 12 – Ode an die Farbe Ocker

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An einem sonnigen Tag durch die Gassen von Rom zu schlendern, ist Balsam für die Seele. Das mag sich jetzt etwas gar abgehoben anhören, doch ich bin davon überzeugt, dass die fast schon heilende Wirkung eines Spaziergangs durch das Centro Storico der Farbe Ocker zu verdanken ist.

WTF, Ocker? Der war wohl zu lange in der römischen Sonne, werden einige von Euch jetzt denken. Doch Moment. Gebt mir eine Chance.

Die Fassaden der Häuser in Rom vom historischen Zentrum bis hinaus in die Vorstadt sind fast ausschliesslich in Ockerfarben gehalten. Ockerfarben in allen Schattierungen, so weit das Auge reicht. Ja, Ocker, dieser gelbbraune eisenhaltige Erdton, der meist  auch eine gehörige Portion Rot enthält und der die Wände so richtig schön leuchten  und lachen lässt.

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Ein Blick auf die Farbenlehre gibt mir Rückendeckung. Dort wird Ocker eine beruhigende, zentrierende Wirkung  zugeschrieben. Ocker steht für Langlebigkeit und Ausgeglichenheit.

Meine Worte…  Die beruhigende und gleichzeitig anregende Wirkung spürt man mit jedem Schritt. Die Farbe wirkt wie eine Droge. “Ich brauche meine Dosis Ocker” schiesst einem da ab und zu durch den Kopf und abhängig kann man davon bestimmt auch werden.

Es komm wohl nicht von ungefähr, dass es bei einigen Naturvölkern in Afrika und Ozeanien üblich ist und war, Kranke jeweils mit rotem Ocker zu bestreichen, um die Lebenskraft anzuregen, und das mit beachtlichem Erfolg. Was so eine Farbe alles bewirkt…

Ocker ist eine warme Farbe, die einem wohl tut und etwas Vertrautes, ja auch Gemütliches an sich hat. Das eisenhaltige Ocker war eine der ersten bekannten Farben in der Malerei. Ocker ist Wasser- und lichtfest und eignet sich deshalb hervorragend zur Fassadenbemalung. Das wird neben der positiven Wirkung auf den Betrachter sicher auch einen Rolle gespielt haben, als man sich in Rom für die Farbe entschieden hatte.

Ich bin froh, dass man über hunderte, ja tausende von Jahren dabei geblieben und nicht in Versuchung geraten ist, die Stadt  zu “modernisieren”. Hat die berühmte Gelassenheit des Römers, den nichts aus der Ruhe bringen kann und der immer cool drauf ist, tatsächlich mit der Farbe der Fassaden zu tun? Ganz bestimmt. Vielleicht sollte man mal in Berlin, Zürich oder Wien darüber nachdenken, ob das nicht mindestens einen Versuch wert wäre…

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12 in 12 – Der Junge aus dem 1. Jahrhundert

Ich weiss nicht, wie es Euch geht. Doch bei mit kommt es nicht sehr oft vor, dass ein Kunstwerk bleibenden Eindruck hinterlässt oder mich gar prägt. Die wenigen Male, wo dem so war, werde ich allerdings nie vergessen. Es begann mit der japanischen Brücke von Claude Monet, die ich mir als Teenager in der National Gallery in London immer und immer wieder angeschaut habe, dann kam die Landkarte von Jasper Jones, 99 Cents von Andreas Gursky, die Kreidefelsen von Rügen von Kaspar David Friedrich und Black in Deep Red von Mark Rothko.

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Wenn es um alte Kunst geht – und damit meine ich die ganz alte Kunst der Ägypter, Römer und Griechen, bin ich in der Regel immun. Seit gestern has sich das geändert. Ich bin mir nicht einmal ganz sicher warum. Doch es war so.  Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet. Das Museo Barrocco besuchten wir mehr wegen der schönen Villa, als wegen der griechischen und römischen Kunstschätze. Doch als ich im zweiten Stockwerk vor der Büste eines Jungen stand, von der nicht viel mehr bekannt ist, als dass sie aus dem ersten Jahrhundert nach Christus stammt, lief mir ein kalter Schauer den Rücken herunter. Ich sah den Jungen an und war mir sicher, dass er lebte. Er starrte mich an und erzählte mir von seinem Leiden, von seiner Jugend, von seinen Problemen und Ängsten. Ich fühlte mich in die Zeit der Römer zurückversetzt und vergass alles um mich herum. Ich war hypnotisiert ohne Gefühl für Zeit und Raum. Keine Ahnung, wie lange ich vor der Büste stand. Angesicht in Angesicht. Wie kann ein Kopf aus Marmor nur so eine Aura haben? Ich hatte schon hunderte, wenn nicht Tausende ihrer Art gesehen. Normalerweise laufe ich einfach daran vorbei. Ich weiss es nicht und es ist auch egal. Ich weiss allerdings, dass eine Verbindung da war, die mich gleichzeitig traurig und auch glücklich gemacht hat.
Morgen werde ich wieder hingehen ins Museo Barocco. Ich muss wissen, was mir der Junge aus dem ersten Jahrundert dann zu erzählen hat.

 

12 in 12 – Cinema Farnese – Kapitel 5

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Ein Fall für Alfredo Conte

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Cinema Farnese Kapitel 1
Cinema Farnese Kapitel 2
Cinema Farnese Kapitel 3
Cinema Farnese Kapitel 4

Kapitel 5

Das Ufficio Catastale war an der Via Raffaele Costisti in einem Siebzigerjahrebau untergebracht. Im Prinzip brauchte der Inspektor eine Verfügung vom Polizeipräsidenten, um pendente Anträge im Grundbuchamt einzusehen. Doch die zu besorgen brauchte zu viel Zeit. Conte kannte die Archivarin aus seiner Zeit in der Polizeischule. Sie war ihm einen Gefallen schuldig und hatte die dicken Ordner mit den jüngsten Anträgen schon bereitgelegt. Der Inspektor wusste nicht genau, wonach er suchen sollte. Es musste irgendwas mit dem Cinema Farnese zu tun haben.

Baugesuche, Kaufverträge und Umbaupläne noch und noch. Der Zeitungsstand an der Piazza Benedetto Cairoli soll zu einer Espressobar, die Apotheke an der Via Arenula zu einem der überall wie Pilze aus dem Boden schiessenden dänischen Accessoirläden von Tiger werden. Eine Schande. Als Conte schon fast aufgeben will, stösst er auf ein Schreiben, das ihn erstarren lässt: „Rückzug des Antrags zur Umfunktionierung des Cinema Farnese in eine Hosteria“ steht dort als Überschrift. Eingereicht wurde der Rückzug von Kinobesitzer Giuliano Novelli. Gemäss italienischem Recht konnte ein solcher Antrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. Das hatte Novelli, nur 24 Stunden bevor er erschossen wurde, getan.

Auf dem ursprünglichen Formular zur Umnutzung war nur Novellis Unterschrift zu finden. Kein offizieller Geschäftspartner. Doch da war es. Die Hosteria hätte den Namen „ Stefano“ tragen sollen. Hosteria Stefano, benannt nach dem Gastrozar Stefano Totti, dem die Osteria Romana und andere Restaurants gehörten und mit dem Novelli seit Jahren am gleichen Stammtisch sass? Und wenn ja, hiesse das auch, dass Totti der Mörder war? Und das nur, weil Novelli sich die Sache mit der Osteria anders überlegt hatte? Ging es also einmal mehr nur ums Geld?

Das schien zu einfach. Totti hatte ein gutes Alibi. Er war mit Hotelbesitzer Mauro Piselli den ganzen Abend auf dessen Terrasse gesessen. Das hatte Piselli bezeugt. Dazu kam, dass Roberto Ginelli, der Novelli am Abend vor dem Mord in der Öffentlichkeit bedroht hatte, ebenfalls ein Motiv hatte und durch die verschwundene Beretta zusätzlich belastet war. Das konnte der Inspektor nicht einfach so stehen lassen.

Conte musste nochmals mit Piselli sprechen. Der hatte ihm noch nicht alles erzählt. Als der Inspektor in eine kleine Seitengasse des Campo de’ Fiori einbog, um Piselli im Hotel Lunetti abzupassen, sah er an der Ecke Roberto Ginelli mit Mariella Novelli stehen. Die beiden tuschelten geheimnisvoll. Das durfte doch nicht war sein. Die Witwe von Novelli mit Ginelli? Die grosse Jugendliebe  vereint und das nur einen Tag nach dem Tod von Giuliano Novelli?

Die beiden hatten ihn nicht gesehen, und das war auch gut so. Sie sollten sich in Sicherheit wiegen. Ob sie die Tat zusammen geplant hatten, um an das Erbe von Novelli zu kommen und dann „happily ever after“ zusammen zu leben? Hatte Ginelli auf eigene Faust gehandelt und Mariella jetzt alles gebeichtet oder war Mariella die eiskalte Mörderin – die Tat als einziger Ausweg aus einer schon seit Jahren nicht mehr glücklichen Ehe?

Conte wollte nicht zu viel in dieses pikante Aufeinandertreffen hineininterpretieren. Beweise hatte er keine. Vielmehr fragte er sich, wer ihm den Tipp mit dem Grundbuchamt gegeben hatte. Wollte ihn da jemand auf die falsche Fährte führen oder war es ein stiller Helfer, der unerkannt bleiben wollte? Eins nach dem anderen. Erstmal wollte er sich Piselli vorknöpfen.

12 in 12 – Auf der Reise mit John Keats

‘I am certain of nothing but the holiness of the heart’s affections, and the truth of imagination.”                 John Keats

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John Keats ist zusammen mit Byron und Shelley nicht nur der bedeutendste Dichter der englischen Romantik, sondern auch mein Vorbild, wenn es um Poesie, Ehrlichkeit und  Selbstzweifel geht. Ein Vorbild im Sinne der Bewunderung und leider nicht des Talents… Es ist wohl purer Zufall. Doch unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Als ich in London lebte, lag Keats Wohnhaus nur wenige Schritte von unserer Türschwelle entfernt, direkt am Hampstead Heath. Einige schöne Nachmittage hatte ich im Garten vor seinem Haus verbracht.

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Jetzt in Rom ist Keats wieder allgegenwärtig. Gewohnt hat er 1820/21 in seinem letzten, durch eine schwere Krankheit geprägten Jahr, an der spanischen Treppe, begraben wurde er auf einem Friedhof im Stadtteil Testaccio, dem “Cimitero Accatolica

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Nur 25 Jahre alt ist Keats geworden. Auf Einladung von Percy Bysshe Shelley war er mit seinem Freund Joseph Severn nach Rom gereist, um dort die Tuberkulose los zu werden. Doch es war zu spät.

Keats hat Autoren wie Oscar Wilde stark geprägt. Wilde nannte das Grab Keats “den heiligsten Ort in Rom”. Irgendwie versteht man das auch, wenn man vor der Ruhestätte steht und einfach nur tief durchatmet.

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Der Friedhof liegt etwas ausserhalb des Stadtzentrums. Es ist still hier. Jedes Grab hat eine Geschichte zu erzählen. Das spürt man. Neben Keats liegen hier auch Shelley und Severn, Goethes Sohn August, der Architekt Gottfried Semper, der Maler Jacob Asmus Carstens und der deutsche Poet Wilhelm Friedrich Waiblinger.

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Keats Name steht nicht auf seinem Grab, sonder der Satz: “Here Lies One Whose Name was writ in Water”. So wollte er es.  Bis heute streiten sich die Gelehrten, was er damit genau meinte. Doch für mich ist es klar. Keats war es wichtig,  etwas zu hinterlassen und die Zuneigung der Öffentlichkeit zu spüren. Gerade in seinen letzten Jahren wurde er immer schärfer kritisiert. Seine Beliebtheit nahm ab. Keats muss es vorgekommen sein, als sei alles, was er hinterlassen werde, sein ins Wasser geschriebener Name, der verschwindet, ehe er überhaupt fertiggeschrieben wurde. Ein trauriges Bild. Doch so geht es uns ja allen – und das ist auch OK so.

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Nicht ganz so poetisch wie Keats Worte sind jene, die ich auf einem Grabstein fernab von Keats Ruhestätte entdecke. Gaby Andre Smith fordert ihre Nachkommen auf: “If you think of me, smile to the next person you see”.  So einfach, aber so schön.

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