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12 in 12 – Ist das nur Trödel oder ist das Antik?

Jeden Montag ist Jean-Philippe hier und verkauft seine Trouvaillien aus der Zeit des Art Deco bzw. der Belle Epoque.

Auch ich habe hier auf dem “Brocante” schon einiges gekauft. Bücherstützen in Form eines Pinguins, einen Sessel aus Bast, der wohl aus den 40-er Jahren stammt, einen Schreibtisch, der gut dazu passt und schöne alte Postkarten.

Jeden Montag findet auf dem Cours Saleya in der Altstadt von Nizza der weltberühmte Antiquitätenmarkt statt. Die Händler kommen von überall her. Jean-Philippe, der es hasst, fotografiert zu werden, ist aus Cagnes angereist.

Seit bald 20 Jahren hat er keinen Montag verpasst. Er liebt die Atmosphäre und den Mix aus Touristen, Einheimischen und Sammlern, die hier herumstöbern.

Es gibt viel zu entdecken. Hier kann man die Zeit vergessen,  hier werden Geschichten erzählt, platzen und entstehen Träume, werden Sachen zum Leben erweckt, die lange ausgedient hatten und hier wird gehandelt und gestauscht.

Ist das hier nun alter Ramsch oder Trödel, der besser auf den Müll sollte oder sind das Antiquitäten, die ihren Platz im Museum verdient hätten?

Meine Frau würde viele Sachen wohl gerne im Müll sehen. Sie ist immer die “Voice of Reason”, wenn ich mal wieder drei tolle Sachen an einem Stand gesehen habe und das Portemonnaie schon aus der Tasche ziehe.  “Wo soll das denn hinkommen?” fragt sie und rollt mit den Augen.

Gute Antiquitätenmärkte gibt es meiner Meinung nach immer weniger. Die meisten Märkte sind  Flohmärkte, die mehr Floh als Markt sind und wo das Wort Trödel oder Ramsch besser passen würde als Antiquität.

Warum das so ist, weiss ich nicht genau. Doch es hat sicher damit zu tun, dass man dank “Made in China” mittlerweile bestimmt nicht mehr auf dem Flohmarkt geht, um jemandem ein Schnäppchen zu schlagen – denn bei IKEA und Co. kriegt man alles  viel billiger – sondern um Charakter zu erstehen.

Doch genau der ist unbezahlbar. Charakter. Jean-Philippe hält stolz zwei Bücherstützen, auf der einen Seite mit einen Hund, auf der anderen mit einer Katze, in die Höhe. “Diese Stütze soll in den 50er Jahren mal beim Bürgermeister von Nizza im Vorzimmer gestanden haben. Dort verschwand sie über Nacht und wurde nie mehr gesehen. Ich habe sie vor ein paar Tagen in einem Geschäft in Vence wiedergefunden. Jetzt ist sie hier” fabuliert Jean-Philippe.

Ist das nicht genial? Ist das nicht Charakter? Ich überlege mir, die Stützen zu kaufen. Doch wo genau soll die hin? Ich habe ja schon einen Pinguin und einen Elefanten und noch ein paar Tiere, die meine Bücher bewachen.

Ich lasse es bleiben. Egal. Auf jeden Fall macht es Spass,  über den Cours Saleya zu laufen und zu stöbern. Die Preise sind fair und ob ihr es glaubt oder nicht; hier und da liegt sogar ein Schnäppchen drin.

Jean-Philippe hat einen guten Tag. Gerade hat ihm jemand ein ganzes Set Christofle-Besteck abgekauft. Er ist hoch zufrieden. “Davon habe ich noch eines im Lager. Das verkaufe ich dann nächsten Montag” sagt er.

Ich bin jetzt schon gespannt, was Jean-Philippe sonst noch so alles mitbringt.

Auf jeden Fall weiss ich, dass es kein Ramsch und kein Trödel sein wird, sondern was wirklich Schönes, ob es nun Antiquitäten sind oder nicht ist mir eigentlich egal.

12 in 12 – Nicolas und seine Schätze – Trésors Publics

„Die Sachen müssen in Frankreich hergestellt und die Firma in der Regel über 75 Jahre alt sein“ sagt Nicolas Barbero stolz, als ich ihn in seinem Laden Trésors Publics besuche.

Vor zwei Monaten hat er zusammen mit seinem Ehemann Antoine Bourassin den Shop in der Altstadt von Nice an der Rue du Pont-Vieux Nr. 11 eröffnet. Ohne Zweifel der schönste und coolste Shop der Stadt.

Ich habe auf dieser Reise so viele Concept und Lifestyle Shops gesehen, dass ich sie schon nicht mehr sehen kann. Überall die gleichen Bücher, die gleichen Bilder und die gleichen Marken. Langweilig. Doch Trésor Publics ist anders. An jedem Produkt hängt eine kleine Landkarte von Frankreich mit einem roten Punkt für die geographische Lage und dem Namen der Stadt, wo das Ding produziert wurde. Was man hier Kaufgen kann sieht man in keinem anderen Concept Store.

Der klassische Mouli-Grater von Moulinex, die Pfeffermühle von Peugeot, die blaue Arbeiterjacke von Vétra, wunderschöne Krüge für Pastis und Pernod, original in Frankreich hergestellte Baskenmützen, „La Caraffe“ aus den 70er Jahren, die Bürsten aus La Chavelle und dazu auch Klassiker der Gastronomie wie die Karamell-Stangen von Carambar und das Ratatouille direkt aus Nizza.

Hier kann man stundenlang verweilen und den Duft von besseren Zeiten einatmen. 300 Produkte gibt es im Laden – die Hälfte davon kostet zwischen 1 und 15 Euro.

Ein Jahr wollen sie den Laden führen, bevor sie entscheiden, was der nächste Schritt ist, sagt Nicolas. Er ist sich bewusst, dass das Konzept gut genug ist, um im ganzen Land Fuss zu fassen. Investoren dafür dürften Schlange stehen. Sie haben hier was ganz Besonderes geschaffen. Das spürt man. Die Altstadt von Nizza ist kein leichtes Pflaster für trendige Shops. Das Epizentrum der Cooles liegt an der Rue Bonaparte, etwas ausserhalb der Altstadt Richtung Hafen. Doch dem ist sich Nicolas bewusst. Der Shop richtet sich jan nicht nur an Hipster, sondern an Jedermann.

Sie wollen nichts überstürzen. Einen Schritt nach dem Anderen. Nicolas strahlt, wenn er vom Umbau des Geschäfts erzählt: „Hier war gar nichts drin und wir hatten auch keinen Interieur Designer. Das haben wir alles selber entwickelt.”

Alles ist mit viel Leibe gemacht und jedes Produkt passt genau. Es ist erstaunlich, was man hier für sein Geld bekommt. Nicht Profit, sondern Nachhaltigkeit und Qualität steht hier im Mittelpunkt. Chapeau!

Angesichts der Konkurrenz aus China ist es erstaunlich und beruhigend, dass auch Frankreich noch produziert und zwar gar nicht so teuer. Nicolas und Antoine sind beide keine Experten, wenn es iim Einzelhandel geht. Während der eine in Cannes eine Bar hatte, war der andere beim Chambre de Commerce angestellt.

Ihre Jobs  haben sie mit Mitte Dreissig für Tréor Publics aufgegeben ohne gross mit der Wimper zu zucken. Sie werden es nicht bereuen, da bin ich mir ganz sicher. Spätestens in drei Jahren werden sie ihr erstes Geschäft im Marais in Paris eröffnen. Believe me….

12 in 12 – Feministin ohne Hidden Agenda

Es gibt kaum etwas faszinierenderes und Schöneres als eine starke Frau. Frida Kahlo ist so ein Beispiel aus der Kunstwelt. Doch die Königin aller starken Frauen ist für mich Georgia O’Keeffe. Sie schaffte es, ohne wirklich darauf aus zu sein, der Welt in einer Zeit, als Feminismus noch in ihren Kinderschuhen steckte, zu zeigen, dass jeder, egal ob Mann oder Frau, ein unabhängiges und bedeutungsvolles Leben führen kann.

Georgia O’Keeffe (1887-1986)ist die bekannteste und erfolgreichste US-amerikanische Malerin. Besonders ihre stark vergrösserten, fast abstrakten Blumenbilder sind weltberühmt. Aber nicht nur als Künstlerin fand sie grosse Beachtung.

Sie faszinierte durch die Kraft ihrer persönlichen Ausstrahlung, denn sie war “von ungewöhnlicher Schönheit, Spontaneität, Klarheit des Geistes und Gefühls und von wunderbarer Intensität, mit der sie jeden Augenblick ihres Lebens auskostete.” (Stieglitz) Sie war schlagfertig und konnte umwerfend direkt sein. Für die Jüngeren verkörperte sie die unabhängige, kreative Frau, die unbeirrt ihren Weg ging, nie bereit zu Kompromissen, die sie am Malen hinderten.

Ihre Ausstellung im Brooklyn Museum mit ihren Blumenbildern, die für viele Betrachter ein Abbild des weiblichen Fortpflanzungsorgans darstellen, ihren Landschaftsmalereien aus New Mexico und vor allem den Fotographien ihrer Person, haben mich schwer beeindruckt. O’Keeffe hatte ohne das wirklich zu wollen, eine Persona kreiert, die Stolz, Unnahbarkeit, Intellekt und Freiheit verkörperte. Ihr Mentor und Ehemann Alfred Stieglitz, seinerseits ein begnadeter Fotograf, verblasste im Endeffekt in ihrem Glanz.

Wenn ich Kunst sehe, dann geht es für mich nicht nur um das Ergebnis, sondern um das Konzept und auch die Person, die hinter diesen Bildern steht. Georgia O’Keeffe ist ein Vorbild für alle, nicht nur für Frauen, aber doch besonders für das weibliche Geschlecht. Gleichberechtigung als Grundvoraussetzung ohne daran je zu Zweifeln. So sollte es sein.

12 in 12 – The 14th Factory

Ein verlassenes Lagerhaus in Lincoln Heights, nur wenige Kilometer von Downtown Los Angeles entfernt und dennoch kurz vor dem Zerfall. Die Strassen sind leergefegt und die Gegend ist nicht ganz koscher.

Doch hinter der Tür des Lagerhauses verbirgt sich die beeindruckendste Kunstausstellung, die ich je gesehen habe: 14th Factory von Simon Birch und einer Kollektive von 20 Künstlern, darunter Gary Gun, Doug Foster und Paul Kember. Videoinstallationen, Skulpturen und Bilder, die die Sinne anregen. Ich komme aus dem Staunen kaum noch raus.

Das Ganze ist als Kommentar zu einem Moment in unserer Geschichte, in dem wir so nahe wie noch nie an einem grossen Desaster stehen, zu sehen. Sei es der Umgang mit uns selbst, die Interaktion mit der Welt, die Gewalt, der wir ausgesetzt sind, psychischer oder physischer Art oder die Hilflosigkeit angesichts der Übermächtigkeit der Ungewissheiten – das alles spürt man, wenn man in der 14th Factory steht.

Ich bin überwältigt, als ich mich durch die oft dunklen Räume bewege. Tausende von Gedanken schiessen mir durch den Kopf. Ich bin Neugierig und zögerlich zugleich, fasse Mut, habe Respekt, frage antworte und hinterfrage dann die Antwort.

Ein Autounfall, streitende Arbeiter, Stanley Kubrik, Körper, Gebäude, Höhen und Tiefen, Gigantismus, Bewegung und Stillstand sind nur einige Stichworte. Ich will die einzelnen Werke gar nicht im Einzelnen Beschreiben – auch ein Paar Bilder können nicht erklären, was man hier spürt,

Doch für mich ist das moderne Kunst in seiner Vollendung. Kein simples Abbild der Realität, sondern Inspiration mit einer klaren Handschrift. Bravo.

Ich fühle mich wie in einer Mischung aus Eyes Wide Shut und The Shining. Hier ist alles möglich und zwar in jedem Moment.

Ich bin verwirrt, erleuchtet, traurig, glücklich und ratlos. Was passiert hier gerade mit mir?

Das Projekt soll keinen Gewinn machen. Kunst wird hier keine verkauft. Solange die Leute kommen und das Geld reicht, wird die 14th Factory am Leben bleiben. Wenn alles gut geht, ist das noch bis Ende November.

SImon Birch dreht über die 14th Factory und die Themen drum herum einen Dokumentarfilm, auf den man gespannt sein darf. Ich kann es kaum erwarten.

Das grösste Kunsterlebnis, das ich je hatte. Danke, Simon Birch.

Eine etwas fundiertere Erklärung der 14th Factory als die meine kriegt ihr hier:


 

Schwalbe fliegt nach…12 in 12 in der NZZ

Ein kleiner Break von Los Angeles. Der nächste Beitrag aus der Serie: Schwalbe fliegt nach… in der NZZ ist erschienen. Dieses Mal ist Tokio an der Reihe. Klickt hier drauf, um den Artikel zu lesen. Für die NZZ bzw. NZZ Bellevue nehme ich Objekte und Zeichen unter die Lupe, die für die locals alltäglich erscheinen, dem Besucher aber ins Auge springen. Daraus soll eine Art Atlas des Corporate Designs von zwölf Weltstädten und Stadtkulturen entstehen. Diese Episode beschäftigt sich mit Bangkok. Wie immer auch hier auf Trendengel sind die Fotos von mir selber geschossen und exklusiv. Viel Spass.

Hier nochmals der ganze Link, falls ihr lieber so klickt:
Genau hier drauf klicken, um zur NZZ-Seite zu gelangen.

12 in 12 – Kunst oder keine Kunst?

Traditionelle japanische Kunst ist zwar zum sterben schön, doch kann auch etwas langweilig sein. Immer wieder die gleichen Kampfszenen der Samurai, Frauen im Kimono , Tempel, Hügellandschaften und Kirschblüten, ja natürlich Kirschblüten.

Doch was ist mit der modernen japanischen Kunst? Was hat Japan ausser Takashi Murakami und Yayoi Kusama noch zu bieten? Kein Event bietet dazu eine bessere Übersicht als die International Tokyo Art Fair, an der 150 japanische Top-Gallerien teilnehmen und ihr bestes Pferd im Stall ins Rennen schicken.

Dabei will ich euch gar nicht zu stark mit Namen langweilen und Euch einfach visuell zeigen, was es zu sehen gab. Ich bin beileibe kein Kunstkritiker und bitte, sagt mir wenn ihr das anders seht. Doch ich habe meine Eindrücke in drei Kategorien aufgeteilt: “Das ist Kunst”, “Das ist keine Kunst” und “Ist das Kunst?”

Das ist Kunst

Das ist keine Kunst

Ist das Kunst?

Einverstanden, empört oder entsetzt?

12 in 12 – Jeden Tag ein König

Von mir gibt es eine Fotoserie, wie ich als Baby auf dem “Töpfchen” sitze und so tue, als ob ich eine grosse Rede schwinge. Damals muss ich mich in dem Moment wie ein kleiner König gefühlt haben.

In Japan bin ich  jeden Tag ein König, wenn ich aufs “Töpfchen” gehe. Wie so vieles im Land der aufgehenden Sonne ist auch die Toilette perfektioniert. Das fängt damit an, dass der Klodeckel automatisch nach oben klappt, sobald man sich der Toilette nähert. Der Sitz ist bereits vorgeheizt. Besonders an kalten Wintertagen ist das willkommen. Alles ist supersauber. Meist spielt beruhigende Musik, die einen so richtig entspannen lässt.

Wer zum ersten Mal eine japanische Toilette besucht, ist total überfordert. Schwer zu verstehende Zeichen und dutzende von Knöpfen weisen darauf hin, was das Klo alles kann. Man hat Angst überhaupt einen Knopf zu drücken. Doch wenn man sich etwas Zeit nimmt, dann wird schnell klar, wie es funktioniert.

Wer das Geschäft verrichtet hat, der greift nicht zum WC-Papier, sondern  drückt auf den Knopf, der einen sanften Wasserstrahl auslöst, der alles fein säuberlich und automatisch putzt. Die Stärke wird individuell angepasst und die Temperatur ist genau die Richtige. Japanische Forscher haben herausgefunden, dass die bevorzugte Strahltemperatur knapp über der Körpertemperatur liegt – etwa bei 38 °C. Die Düsenposition lässt sich ebenfalls manuell ändern. Spitzenmodelle bieten sogar vibrierende und pulsierende Wasserstrahlen, die nach Angaben der Hersteller gegen Verstopfung und Hämorrhoiden wirksam sein sollen. Die neuesten Typen können sogar Seife in den Wasserstrahl mischen, um bessere Reinigungsergebnisse zu erreichen. Eine andere weitverbreitete Funktion ist das Warmluftgebläse, meist zwischen 40 und 60 °C variierbar, um die mit dem Wasserstrahl gereinigten Körperregionen zu trocknen.

Zum Schluss wird das ganze WC automatisch geputzt und desinfiziert. Auch der Geruch verschwindet einfach so und völlig magisch. Topmodelle sind gar in der Lage, den Stuhl und Urin zu analysieren und vor sich anbahnenden Krankheiten zu warnen.

Ich hatte solche Toiletten zwar auch schon mal gesehen, doch ich dachte immer, das wäre nur ein Gimmick, den kaum ein Japaner wirklich benutzt. Doch eine Statistik zeigt, dass 78% der Japaner so ein Ding zu Hause haben. In Restaurants und öffentlichen Toiletten sind die Alleskönner sogar die absolute Regel.

Mit den Toiletten ist es mit so vielem im Leben. So lange man es nicht kennt, vermisst man es auch nicht. Doch wenn man es einmal erlebt hat, dann kann man nur schwer zurück – oder könnt ihr Euch vorstellen ohne Internet, Geschirrspüler oder, um eine extremes Beispiel zu wählen, Strom zu leben?

Und noch was. In Japan begann das Zeitalter der High-Tech-Klos im  1980 mit der Einführung der Washlet G-Serie durch Toto. Das Washlet basierte ursprünglich auf einer Erfindung des Schweizers Hans Maurer, der 1957 das Dusch-WC unter dem Namen Closomat erfand und im europäischen Markt ohne grossen Erfolg einführte.

Ach ja und einen Vorteil hab ich fast vergessen. Einen Vorteil, der viele Beziehungskrisen verhindert und für Harmonie sorgt. Der WC-Deckel schliess am Ende des Besuchs automatisch!

12 in 12 – Sushi essen leicht gemacht

Sushi oder genauer gesagt Nigiri Sushi essen ist einfach. Das kleine Päckchen mit Fisch und Reis mit den Stäbchen greifen, kräftig in Soja-Sauce gemischt mit Wasabi tunken, abbeissen und dann einen Haufen Ingwer hinterher. Haaaaaaaaaaaalt! So geht das auf keinen Fall. So werdet ihr in Tokio bestimmt aus dem Restaurant geworfen – na gut, das vielleicht nicht, weil die Japaner viel zu höflich sind – aber auf jeden Fall werdet ihr dort nicht viele Punkte sammeln.

Hier ein paar nützliche Grundregeln:

  • Das Sushi nie von oben mit den Stäbchen greifen, sondern immer von der Seite. So zerfällt der Reis nicht. Entgegen der landläufigen Meinung ist guter Sushireis nicht extrem klebrig und kalt, sondern eher locker und noch leicht warm. Deshalb zerfällt das Sushi auch gerne mal, wenn man es von oben packt. Es gibt übrigens auch eine Sushi-Schule, die untersagt, überhaupt Stäbchen zu verwenden. Deshalb ist es auch im besten Sushi-Restaurant mehr als nur OK das Sushi mit den Händen zu essen. Keine Angst, ich lege euch damit nicht rein, damit ihr euch das nächste Mal bei Nobu lächerlich macht. Indianerehrenwort.
  • Sushi nie in Soja-Sauce tunken. OK, mit billigem Sushi vom Take Away könnt ihr das gerne mal machen, aber bitte nicht mit Qualitäts-Sushi. Warum wollt ihr wissen? Der Reis ist wichtiger Bestandteil des Sushi. Taucht man ihn in Soja saugt er sich voll und man schmeckt ihn nicht mehr richtig. Zudem wird der Geschmack des Fischs übertüncht. Falls der Sushi-Chef vergisst, etwas Soja über den Fisch zu streichen und du starkes Verlangen nach Soja hast, dann nimm den Shoga (das ist der eingelegte Ingwer), tauche ihn in Soja und streiche ihn sanft über den Fisch. Das reicht. Hat da jemand Wasabi gesagt? Ja genau, dafür gilt die gleiche Regel.
  • Nicht vom Sushi abbeissen, schon gar nicht, wenn noch ein Topping drauf ist. Sushi ist so zubereitet, dass es genau in den Mund passt. Alle Zutaten sind exakt aufeinander abgestimmt.
  • Keine Berge des Shoga bzw. Gari (Ingwer) essen. Shoga ist dazu da, den Gaumen zu reinigen, um den Geschmack des nächsten Stücks würdigen zu können, Dazu reicht ein ganz kleines Stück. Wer zu viel Ingwer isst, der schmeckt danach gar nichts mehr. Als Gaumenreiniger ist auch der Grüntee gedacht. Warm wirkt er am besten.
  • Wenn Du das Sushi in den Mund nimmst, liegt der Fisch unten, damit er direkt mit der Zunge in Berührung kommt. Nur so kommt der Geschmack richtig zur Geltung.
  • Als Bauernregel gilt: Erst den weissen Fisch essen, dann den Thunfisch, dann Lachs, dann das Ding mit dem Ei drauf sozusagen als Nachtisch und am Schluss noch eine kleine Rolle. So signalisiert man dem Sushi-Chef, dass man fertig bestellt hat.

Ach ja, noch ein paar Kleinigkeiten. Die Miso-Suppe trinkt man direkt aus der Schale, die Stäbchen reibt man nicht aneinander, da das als Affront für das Restaurant gilt (billige Stäbchen), der Wasabi wird nicht mit Soja verrührt auch nicht bei Billig-Sushi und Ketchup gehört auch nicht auf den Fisch (Hinweis: Letzteres war nur ein Scherz).

P.S. Sushi ist übrigens immer Fisch mit Reis drunter. Ist es nur roher Fisch, dann heisst das Sashimi und wenn es gerollt ist mit dem Algenblatt nach aussen, dann heisst es Maki, wenn der Reis aussen ist, dann ist es Uramaki.

Itadakimasu (das heisst guten Appetit und das sagt man mit einer kleinen Verbeugung zu sich selbst und nicht den anderen)

12 in 12 – Westworld meets Blade Runner

Hattet ihr das auch schon mal, dass ihr durch die Strassen irrt und Euch fragt, ob das wirklich alles gerade passiert oder ob ihr nur träumt? Dass ihr irgendwie auf Wolken schwebt und das Gefühl habt, ihr seid nicht wirklich da, sondern beobachtet alles nur aus der Distanz? Hattet ihr Euch auch schon mal gefragt, was Realität überhaupt ist und ob ihr gerade in der realen Welt lebt?

Genau so fühlt man sich in Tokio; wie in einem Traum oder wie im Film „Westworld meets Blade Runner“. Alles ist irgendwie unwirklich und unverständlich aber perfekt, fast zu perfekt. Auch der Film Truman Show fällt mir dazu ein. Der Zug ist immer auf die Sekunde pünktlich, die Leute sind so hilfsbereit und freundlich als seien sie dazu programmiert, in den Läden ist immer alles so aufgeräumt und schön aufgestellt, dass man sich fragt, wer das immer wieder so herrichtet. So perfekt kann doch niemand sein.

Alles sieht aus, wie eine Filmkulisse. Man weiss nicht, ob hinter der Fassade der Häuser überhaupt irgendjemand wohnt oder ob da einfach Nichts ist. Alles ist sowas von geordnet, und das kommt von jemandem, der im wohl geordnetsten der geordneten Länder aufgewachsen ist – dachte ich zumindest.

Tokio ist fremd und vertraut zugleich. Ein Supermarkt ist auch hier ein Supermarkt und die U-Bahn die U-Bahn. Dennoch ist alles anders. Das liegt meiner Meinung nach nicht nur an den japanischen Schriftzeichen, sondern an der japanischen Kultur, die über hunderte von Jahren gewachsen ist, ohne grosse Einflüsse von Aussen zu haben. Japan als High-tech-Leader hat vieles selber entwickelt und nicht einfach übernommen oder kopiert. Deshalb ist es so wunderschön anders. Realität oder nicht? Westwolrld oder Truman Show? Egal. Mir gefällt es in Tokio. Bis jetzt ist vieles zwar noch Lost in Translation. Doch ich arbeite daran und kann es kaum erwarten, mehr über diese Traumwelt zu erfahren.

12 in 12 – Der Vergänglichkeit auf der Spur

Es weht ein ganz leiser Wind. Der Himmel ist strahlend blau, die Sonne brennt und die Luft feucht. Es ist still hier in Ayutthaya zwischen den grossen Türmen des Wat Phra Si, des königlichen Tempels auf dem Gelände des alten Königspalastes in Ayutthaya, nur eine kurze Zugfahrt von Bangkok entfernt. Wenig deutet noch darauf hin, dass hier vor 700 Jahren eines der mächtigsten Königreiche entstanden war, das die Welt je gesehen hat: Siam.

Von hier aus wurden Burma, Thailand und Teile Chinas kontrolliert. Hier lebten schon früh chinesische Kaufleute, wurden japanische Samurai-Söldner engagiert und bauten Niederländer, Briten, Perser, Inder, Portugiesen, Franzosen und Spanier ihre Handelsbeziehungen auf. Ayutthaya war eine richtige Weltstadt.

Doch heute ist hier niemand mehr. Wie wird das bei uns in zweihundert Jahren sein? Ist es denkbar, dass New York, London und Paris irgendwann nur noch Ruinen sind und die Musik woanders spielt. Schwer vorzustellen. Doch möglich ist alles.

Das abrupte Ende von Ayutthaya kam im 18. Jahrhundert. 1765 begannen die Birmanen einen  Grossangriff auf Siam. König Hsinbyushin sandte zwei Armeen aus, die das Reich Ayutthaya von Norden und von Süden in die Zange nehmen sollten. Im Februar 1766 schließlich tauchten die Birmanen vor Ayutthaya auf und begannen eine einjährige Belagerung.

Nach einem verheerenden Brand innerhalb der belagerten Stadt, der 10000 Häuser vernichtet haben soll, flohen viele. Am Abend des 7. April 1767 fiel Ayutthaya, ein Teil der Stadtmauer stürzte ein und die Birmanen stürmten die Stadt.

Tempel und Paläste wurden geplündert und in Brand gesetzt, Kunstschätze und Büchereien, ebenso wie die Archive mit historischen Aufzeichnungen wurden vernichtet. Alle Menschen, allen voran Künstler und Handwerker, wurden von den Siegern zusammengetrieben und nach Birma gebracht, wo allerdings nur wenige ankamen. Schließlich war die große Stadt völlig menschenleer und das ist sie bis heute.

Die mehr als vierhundertjährige Geschichte Ayutthayas nahm damit ein Ende. Ayutthaya wurde seiner gesamten Führung beraubt: Der König war auf der Flucht ums Leben gekommen, der Thronfolger im Kampf gefallen. Das Land verfiel ins Chaos und die Lage der Bevölkerung war katastrophal. Thailand war seiner Seele beraubt.

Ayutthaya ist heute ein Weltkulturerbe der Unesco. Hier ist es genau so magisch wie in der Tempelanlage von  Angkor Wat mit dem grossen Unterschied, dass sich nach Ayutthaya kaum ein Tourist verliert. Wer hier mit dem Fahrrad durch die Gegend fährt, ist fast allein.

In Ayutthaya wird einem bewusst, wie klein und unbedeutend das eigene Leben ist, und das ist auch ganz OK so. Als ich klein war wollte ich immer mal ein Denkmal haben. Warum eigentlich? Warum treibt es viele Erdenbürger an, etwas auf diesem Planeten zu hinterlassen, um nicht vergessen zu werden? Aber dazu vielleicht ein anderes Mal…