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12 in 12 – Bitte Mezcal und nicht Tequila

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Als ich hier in Condesa in einer Bar neulich eine Margarita bestelle, schaut mich der Barkeeper ganz schräg an. “Sin sal” (ohne Salz) sage ich noch und habe damit wohl ganz verspielt. Ich schaue meinen Kollegen Carlos an und der sagt ganz trocken: “Ne Margarita bestellt man in Mexiko nicht. Das ist was Amerikanisches.” Echt? Das kann doch nicht sein. Für mich war die Margarita immer die Königin der mexikanischen Drinks und Tequila der König. Falsch gedacht. Im Prinzip gibt es nur einen Herrscher über die mexikanischen Spirituosen und der ist der Kaiser und heisst Mezcal.

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Den Fehler werd ich so schnell nicht mehr machen. Mezcal statt Tequila, ich habs’ geschnallt.

Doch gibt es zwischen Tequila und Mezcal wirklich einen so grossen Unterschied? frage ich am nächsten Tag Maria. Beides werde doch aus Agave hergestellt. Oh, da war ich nochmals ins Fettnäpfchen getreten. Das ist zusammengefasst, was Maria mir auf meine unschuldige Bemerkung in einer kleinen Schimpftirade an den Kopf warf: Tequila ist Industrieproduktion, während Mezcal meist nach alten Rezepten von kleinen Familienproduzenten hergestellt wird.

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Tequila darf nur aus Agave Tequilana Weber produziert werden, die aus Feldanbau stammt. Die intensive Kultivierung und Züchtung dieser Sorte hat die Biodiversität in den Anbauregionen nachhaltig verarmen lassen. Mezcal darf aus allen Sorten von Agaven hergestellt werden, insbesondere auch wild wachsenden. Der grösste Teil stammt jedoch aus Agave angustifolia (Espadín) , der Urform von A. Tequilana Weber, die noch richtig tiefen Geschmack hat.

Tequila wird unter hohem Druck in wenigen Stunden in Industriebottichen gedämpft. Mezcal wird tagelang langsam in Erd- und Steinöfen eingedämpft. Tequila wird bis zu 49% Zucker zugesetzt, Mezcal lediglich 20%. Zur Gärung von Mezcal kommen keine Beschleuniger zum Einsatz. Tequilla wird  bei hoher Hitze destilliert, Mezcal bei geringerer Hitze über längere Zeit.

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Mezcal schmeckt tatsächlich anders als Tequila – deutlich rauchiger. Ich stelle Ähnlichkeit mit einem Single Malt Whisky fest und das kommt wohl nicht von ungefähr. Einerseits benutzen viele Mezcal-Hersteller alte Whisky-Fässer zur Reifung. Anderseits ist der Herstellungsprozess durchaus vergleichbar.

Mezcalerias (Bars, die auf Mezcal spezialisiert sind), schiessen mittlerweile besonders in den USA wie Pilze aus dem Boden. Das  hat dazu geführt, dass die grossen Produzenten mittlerweile auch ihre Mezcal-Marken haben und die hohe Kunst des Mezcal-Destillierens damit in Gefahr bringen. Sie kaufen immer mehr kleine Agave-Plantagen zusammen. Immer mehr Familienbetriebe werden schwach und verkaufen. Pleas don’t…

Eine Mezcal-Marke, die auch in uneren Breitengraden erhältlich ist und die ihre Sache gut macht, ist Alipus. Probiert doch mal ein Glas…denn Mezcal ist zu Recht der Kaiser der mexikanischen Spirituosen.

Ach ja, und wer Euch erzählt, dass ein richtiger Mezcal einen Wurm drin hat, der ist ein Gringo…

12 in 12 – Slim und Rodin mal 380

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Einige von Euch werden den Namen Carlos Slim kennen, andere nicht. Na dann will ich Euch kurz auf die Sprünge helfen. Herr Slim lebt in Mexico City und ist der reichste Mensch der Welt. Jahr für Jahr duelliert er sich mit Bill Gates um diesen Titel.  Sein Vermögen hat er dank der Privatisierung des mexikanischen Telekomgiganten Telmex gemacht. Zack – so einfach geht das.

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Wie Gates hat auch Slim eine Stiftung, die viel Gutes tut und die viel Geld in Kunst investiert. Als ich las, dass die Stiftung hier in Mexico City ein Museum gebaut hat, das eine der weltweit wichtigsten Kunstsammlungen beherbergt, dachte ich mir: Da muss ich hin. Das Museo Soumaya haut einen schon visuell um. Sechs Stockwerke voller Kunst. Insgesamt sollen es 66’000 Werke sein. Der Wert liegt bei weit über 1 Mrd. US-Dollar.  Alles gibt es hier: Van Gogh, Degas, Picasso, Miro, Dali und und und.

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Doch nichts, aber auch gar nichts kann einen auf den Besuch des obersten Stockwerks vorbereiten. Hier stehen in einem einzigen Raum fast wahllos zusammengewürfelt 380 Skulpturen des französischen Bildhauers Auguste Rodin. 380 SKULPTUREN VON AUGUSTE RODIN!!! Ich weiss nicht genau was das soll. Schön ist das irgendwie nicht mehr, sondern eher unheimlich. Man bewegt sich in einem Raum, aus dem jedes andere Museum schon stolz wäre, eine einzige der Skulpturen zu haben. Irgendwie Verschwendung. Man kann sich keinem einzelnen Werk widmen, sondern ist völlig verloren und überfordert. Tage später kann ich mich an keine einzige der Skulpturen mehr erinnern. Ob Carlos das gewollt hat?

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Na gut, es gibt zwei Sachen, die diesen Wahnsinn irgendwie rechtfertigen. Erstens hat Carlos Slim das Museum zu Ehren seiner Frau gebaut, die leider 1999 im Alter von nur 50 Jahren verstarb.  Das Museum trägt deshalb auch ihren Namen. Zweitens ist das Museum für alle umsonst, denn jeder soll sich ein Bild von den schönen Künsten machen können. Naja, ich sagte ja schon, irgendwie rechtfertigen. 380 Skulpturen von Rodin in einem Raum…

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12 in 12 – Es gibt Musik in Mexiko

Mexiko hat wohl die interessanteste Musikszene Lateinamerikas. Ich habe hier einige echt coole Bands live gesehen. Hier sind die, von denen ich glaube, dass es wert ist, dass ihr Euch die mal anschaut bzw. anhört.

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Die 21-jährige ist Schauspielerin und hat gerade ihr Debut-Album abgliefert. Sie ist so herrlich erfrischend und macht einfach nur gute Laune – mir zumindest.

Rey Pila

Rey Pila ist für mich die beste Band Mexikos. Ihr Debut 2009 wurde von Paul Mahajan produziert, der schon The National, die Yeah Yeah Yeahs und TV on the Radio seinen Stempel aufgesetzt hatte. Das neuste Werk ist von niemand anderem als Julian Casablancas von den Strokes Co-Produziert. Das hört man:

 

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Die Zwillinge Raul und Paulina Sotomayor sind Sotomayor, eine Elektroband mit sphärischen Einflüssen. Guter Lounge Sound und das mein ich nicht despektierlich.

 

Juan Soto

Der mexikanische Meister der Disco-Musik ist live eine Wucht. Da wird ungewollt das Tanzbein geschwungen. Wipp, Wipp, Wipp und drehen…es lebe der mexikanische Produzent und DJ.

Sol Pereyra

Dann ist das noch Sol Pereyra, die zwar aus Argentinien stammt aber in Mexico City ein zweites zu Hause gefunden hat. Unbeschwerter Pop-Rock.

 

12 in 12 – Frida und Diego

Ihr Schmerz ist in jedem ihrer Bilder sichtbar, ihre Energie unmittelbar spürbar und ihre Zielstrebigkeit und das Chaos auf den ersten Blick erkennbar. Umso erstaunlicher ist es, dass das Atelier Mexikos berühmtester Tochter Frida Kahlo eine Ruhe ausstrahlt, wie kaum ein anderer Platz auf dieser Welt. Hier im Süden von Mexico City, im Stadtteil San Angel, hat Frida zusammen mit ihrem Diego zwischen 1934 und 1940  ihre wichtigsten Werke geschaffen: Sie im blauen und Diego im weissen Haus. Das vom Bauhaus beeinflusste Gebäude wurde für die beiden Streithähne vom gemeinsamen Freund und Stararchitekten Juan Gorman gebaut.

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Diego ist übrigens kein geringerer als Diego Riviera, Mexikos liebster Sohn und bedeutendster Maler, der unsterblich in Frida verliebt war, sie dennoch immer wieder unglücklich machte und sie gleich zweimal geheiratet hat. Die Ehe als wild zu bezeichnen, ist sicher eine Untertreibung.

Ich bin mir nicht ganz sicher, warum mich Frida Kahlo so fasziniert. Wie wohl die Meisten bin ich erst 2002 in Kontakt mit der grossen Künstlerin gekommen, als Salma Hayek die Hauptrolle in “Frida” spielte, und Frida sowohl die Frauen- als auch die Männerwelt zu Füssen lag. Der biographische Film, der zwei Oscars abräumte, brachte  die Symbolfigur des Feminismus, die sich weigerte, ihre kräftigen Augenbrauen auszudünnen und ihren Damenbart zu rasieren und der es  dennoch gelang, Männer wie Trotsky, Picasso, Max Ernst, Paul Éluard, Joan Miró und Kandinsky in ihren Bann zu ziehen, einem breiten Publikum nahe.

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Zeit ihres Lebens litt Frida unter den Folgen eines Busunfalls. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag wurde ihr eine Stange durch den Rücken gebohrt. Über Jahre hinweg trug sie deshalb ein Korsett und verspürte immer wieder grosse Schmerzen.  Ihre unzähligen Selbstportraits haben auch deshalb immer etwas sehr strenges und unnahbares an sich.

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Diese Schmerzen ertrug sie ihr ganzes Leben lang, rauchte, trank und erzählte unanständige Witze. Einmal sagte sie: “Doktor, wenn sie mich diesen Tequila trinken lassen, dann verspreche ich Ihnen, dass ich zu meiner Beerdigung nicht trinken werde.” Frida Kahlo schuf mit ihren Bildern etwas völlig Neuartiges – Dinge und Motive, die zu ihrer Zeit alles andere als normal waren. So malte Frida Kahlo farbenfrohe Pflanzen, Tiere, traumähnliche, mystische und religiöse Motive ebenso wie nackte und verwundete Körper, Skelette und Totenköpfe – häufig thematisiert sie in ihren Bildern Geburt und Tod, Sexualität und Gewalt.

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Die Künstlerin zog immer wieder Männerkleidung an und hob in einigen ihrer Selbstporträts ihren Damenbart und ihre kräftigen Augenbrauen besonders hervor. Ein Enfant Terrible, das sich keine Grenzen setzen liess und sich auch sexuell immer genau das machte, was ihr Spass machte. Sie liess sich nie unterkriegen, egal wie schwer gerade alles war. Zitat von ihr:

“Letztlich sind wir fähig, sehr viel mehr auszuhalten, als wir uns vorstellen können.”

1954 im Alter von 47 Jahren starb Frida offiziell an einer Lungenentzündung – die meisten Kunsthistoriker gehen jedoch von einem Selbstmord aus. Diego Riviera kam über ihren Tod nie hinweg. Hier in San Angel ist all das  spürbar. Doch neben all diesem Schmerz spüre ich noch etwas anderes. Ich spüre, dass im Leben vieles möglich ist. Man muss, wie es Frida immer getan hat, nur daran glauben und es auch versuchen. Das kann in Glück oder in Schmerzen Enden. Beides gehört zum Leben und beides sind Erfahrungen, die das Leben bereichern.

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Übrigens, der Vater von Frida kam aus einer bürgerlichen deutschen Familie aus Pforzheim wanderte jedoch mit 18 Jahren nach Mexiko aus. Aus Carl Wilhelm wurde vier Jahre später Guillermo Kahlo, der 1898 die Tochter eines Fotografen heiratete. Frida erblickte neun Jahre später, am 6. Juni 1907, das Licht der Welt.

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Hier der Link zum vollständigen Film, ganz umsonst auf Youtube:

12 in 12 – Pujol erfindet die mexikanische Küche neu

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Gutes Essen ist eine der magischsten, anregendsten und wichtigsten Sachen nicht nur auf dieser Reise, sondern im Leben überhaupt, finde ich zumindest. “There is no love sincerer than the love of food” hatte schliesslich schon George Bernard Shaw in seinem Roman Man and Superman gesagt. Doch über Essen schreiben und Bilder davon zu zeigen, bringt in der Regel nicht viel. Ohne das Essen zu spüren und die Geschmacksnerven zu aktivieren, ist die schönste Visualisierung nichts wert.

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Dennoch mach ich heute mal eine Ausnahme. Ferran Adria, der spanische Koch von El Bulli, der von vielen als der beste der Welt angesehen wird, hat mal gesagt: “Es gab mexikanische Küche vor und nach Enrique Olvera”, dem Koch des Restaurant Pujol, das er vor etwas mehr als 15 Jahren eröffnet hat. Mittlerweile ist Pujol das beste Restaurant Mexikos und wird auf der “San Pellegrino World’s Best Restaurant List” seit Jahren unter den Top 25 geführt. Die New York Times hat Mexico City zudem gerade als weltweit beste Food-Destination 2016 erkoren. “High Praise.”

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Das Restaurant ist klein, weisse Tischtücher Fehlanzeige, coole Musik im Background und makelloser Service. Eine Speisekarte gibt es keine. Wer ins Pujol kommt, der gibt sich in die Hände des Maestros und bestellt das Tasting Menu. Die Geschmacksknospen blühen in der Sekunde auf,  als der erste Gang auf dem Tisch landet. Olvera nimmt mexikanische Klassiker, häufig Street Food, und stellt sie auf den Kopf. Kleine Maiskolben beispielsweise, die normalerweise in einem Karren vor dem Supermarkt gekocht oder geröstet und mit Käse und (zu) viel Mayonnaise serviert werden, macht Olvera anders (erstes Bild). Die Mayonnaise wird mit gemahlenen Chicatana Ameisen gewürzt (kein Scherz) und der kleine Maiskolben (Baby Corn) in einem Shot Espresso gedünstet, Chili Flakes geben noch das gewisse Etwas dazu. Das Gedicht ist fertig.

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Unzählige Gänge landen auf unserem Tisch. Die für uns oft unbekannten Gewürze führen zu einer Geschmacksexplosion nach der anderen. Wie gesagt, über Essen schreiben ist müssig. Doch einen Gang will ich noch kurz erwähnen: Die 1115 Tage alte Mole Madre mit Mole Nuevo (Bild unten).

Mole ist das Nationalgericht und der Stolz Mexikos. Nicht nur jede Region oder jede Stadt, sondern jede Familie hat ein anderes Rezept dafür. Wer denkt,  Mole sei nur Schokolade mit Chili, der liegt falsch. Es ist viel komplizierter.

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Die Mole Madre von Pujol besteht aus Plantanen, Rosinen, Heirloom Tomaten, Knoblauch, Zimt, Nelken, Anis, Muskatnuss, Ingver, Pflaumen, Mandeln, Pekan-Nüssen, Erdnüssen, Thymian, Majoran, Oregano, roten chilhuacle Chilli, schwarzen und blauen Chilli, Flachsöl, Meeressalz, Zucker und dunkler Schokolade aus Oaxaca.  Je häufiger die Mole aufgewärmt wird, desto besser schmeckt sie. Die einzelnen Zutaten werden dadurch immer mehr zu einer Einheit. Die Mole, die wir serviert bekommen, wurde vor bald vier Jahren angesetzt und wärmt das Herz jedes auch noch so skeptischen Gastes. Versprochen.

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Ich weiss, ihr habt jetzt bestimmt Hunger und deshalb fang ich gar nicht erst an, vom Nachtisch zu schwärmen.

Wer noch immer denkt, Tacos seien alles, was die mexikanische Küche zu bieten hat, der liegt sowas von falsch. Pujol tritt stellvertretend für das ganze Land den Beweis an. Also, wenn ihr mal in Mexico City seit, dann tut alles dafür, eine Reservation bei Pujol zu kriegen (was kein einfaches Unterfangen ist). Schöner Nebeneffekt dieses Abenteuers: Während ein Menu dieser Klasse normalerweise 250 Euro pro Person kostet, sind es hier gerade mal 80 Euro.

P.S. Wenn ich schon George Bernard Shaw zitiert habe, hier noch mein Lieblingszitat von ihm mit auf den Weg für Euch:

“A life spent making mistakes is not only more honorable, but more useful than a life spent doing nothing.”

Denkt mal darüber nach…

12 in 12 – Das Paradies der Sinne

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Es riecht nach Geranien, Maiglöckchen, Lavendel und nach Rosen. Ich  stehe vor der Perfumeria Tacuba 13, der Königin unter den über 20 Parfümerien an der Calle de Tacuba.

Das ist hier nicht Sephora oder Douglas. Hier stehen keine durchgestylten Flacons von Tom Ford und Yves Saint Laurent in den Regalen, sondern hier wird gemischt und zwar von Hand und das seit 1932. Hier kann jeder sein eigenes Parfum zusammenstellen oder eines der grossen Designer nachmischen lassen. Hunderte, ja vielleicht gar tausende von Flaschen mit Essenzen stehen hier in den Regalen.

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Die Kopfnote, die man unmittelbar nach dem Auftragen riecht, die  Basisnote, die nach einigen Minuten in den Vordergrund tritt und die Herznote, die noch lange danach bleibt – alles kann individuell gewünscht werden und das für 3 Euro pro Flacon. Es macht Spass, den Frauen hinter der Theke zuzusehen, wie sie vorsichtig mischen und riechen. 1500 Kunden kommen hier jeden Tag rein und erfüllen sich einen grossen Traum für wenig Geld.

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Entstanden ist die Parfumerie in den 30er Jahren, als das alte Gesetz, Parfums ohne Luxussteuer zu importieren, aufgehoben wurde. Seither wurde die Fertigkeit der Parfümherstellung perfektioniert. Einige sagen, die Angestellten der Perfumeria Tacuba 13 könnten gar mit den berühmten Nasen aus Grasse an der Côte d’Azur mithalten. Das kann ich mir durchaus vorstellen.

Die Spezialität hier in der Perfumeria Tacuba ist übrigens ein Duft, der Glück in der Liebe bringen soll. Orangenblüten, Jasmin, Gardenien und Veilchen sind das Geheimnis. Soll ich Euch eine Flasche mitbringen?

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12 in 12 – Das Leben auf dem Spielfeld lassen

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Das alte Olympiastadion in Mexico City bebt. Immer wieder dieser Gesang: “GOOOOOOYA, GOOOOOOYA, CACHUN CACHUN RARA, CACHUN CACHUN RARA, GOOOOOOYA UNIVERSIDAD¡¡¡¡” Unverkennbar. Hier spielen die Unam Pumas, das Team der Universidad Nacional Autónoma de México.

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Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken runter. Richtiges Gänsehautfeeling. Ich habe schon viele Fussballspiele gesehen, manche würden gar sagen, zu viele. Doch das hier ist etwas ganz Besonderes. Hört Euch an, wie der Schlachtruf durchs Stadion hallt:

Fussball ist in Mexiko eine Religion, genauso wie in Brasilien und Argentinien. Hier in Mexiko City ist man entweder ein Puma oder ein America. Die beiden erfolgreichsten Clubs der Stadt sind Erzrivalen. Geht es nach den Puma-Fans, mit denen ich spreche, ist Club America der Teufel. Der Verein gehört dem mächtigen Medienkonzern Televisa, der auch das legendäre Aztekenstadion besitzt. Jedes Jahr werden teure Spieler, vor allem aus Brasilien verpflichtet.  “So wollen wir nicht sein”, sagt Miguel, der eine Reihe vor mir sitzt. “Da gewinne ich lieber ein oder zwei Meisterschaften weniger.” Die Pumas haben keinen Financier, sondern werden von der grössten Universität Lateinamerikas unterstützt. Das wird auch so bleiben.

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Zurück zum Spiel. Unam spielt übrigens gegen die Monarchas und liegt 0:1 zurück. Doch das ist Nebensache. Die Sonne scheint, die Stimmung ist ausgelassen und überall rasen Verkäufer rum, die irgend was interessantes anbieten. Eine Kugel Eis mit Chili, Cueritos (eingelegte Schweineschwarte mit Limettensaft), scharfe Geflügelsuppe, mit viel Schlagsahne gefülltes Gebäck, frische Tacos, Tortilla-Chips mit Salsa Verde, und natürlich Bier.

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Hier werden immer gleich zwei Corona-Flaschen gleichzeitig in den Becher geleert. Ich genehmige mir auch ein bzw. zwei Coronas. Jetzt macht das Spiel gleich noch ein bisschen mehr Spass. Dann wieder dieser Gesang:

“GOOOOOOYA, GOOOOOOYA, CACHUN CACHUN RARA, CACHUN CACHUN RARA, GOOOOOOOYA UNIVERSIDAD¡¡¡¡”

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Was heisst das überhaupt, frage ich meinen Sitznachbarn. Das sei kompliziert. Eine direkte Übersetzung gebe es nicht. Der Schlachtruf geht auf Luis Rodrigez zurück, der in den 40er Jahren an der Universität studierte und der beliebteste Student war. Ihm gelang es durch seinen Charme und Überzeugungskraft mit den grossen Kinos in der Stadt zu vereinbaren, dass Studenten umsonst reindurften. Das berühmteste Kino war das Goya, das Studenten bis dahin nicht mal einen Rabatt gewährt hatte…bis Luis Rodriguez kam.

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So bürgerte sich ein, dass die Studenten an grossen Veranstaltungen, Demonstrationen und Abschlussfeiern immer Goya, Goya riefen. Über die Jahre kamen immer mehr Worte dazu, die gemäss meinem Sitznachbarn nicht wirklich etwas bedeuten. Doch gemeint sei, dass die Spieler ihr Leben auf dem Spielfeld lassen und mit allem was sie haben für den Sieg der Pumas kämpfen sollen. Nicht schlecht… Beim der nächsten Gelegenheit  stimme ich lautstark in den Gesang mit ein. Es ist einfach ansteckend.

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Das Spiel geht vor rund 60 000 Zuschauern übrigens trotz hoher Überlegenheit der Pumas 1:1 aus. Unam beendet die Saison auf Platz sieben und steht in den Play-Offs. Wer da gewinnt, ist noch völlig offen. “Solange es nicht America ist, ist mir egal wer gewinnt” sagt Miguel.

Ich hatte Spass von der ersten bis zur letzten Minute. Ja, ich bin jetzt auch ein Puma.

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P.S. Noch einige Fakten zu den UNAM Pumas:

Sieben Meistertitel, den Letzten 2011.

Die goldene und blaue Farbe des Trikots und des Emblems wurde in  Anlehnung an die US-Universität Notre Dame gewählt, deren Coaches damals die Organisation aufgebaut hatten.

Bei den Pumas spielten unter anderem Bernd Schuster, Hugo Sanchez, Manuel Negrete, Jorge Campos und als Trainer der legendäre Bora Milutinovic.

12 in 12 – Das ist Mexico City

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Da Mexiko City für viele von euch sicher ein unbeschriebenes Blatt ist, heute mal ganz einfach einige nackte Fakten:

Mexico City wurde von den Azteken 1325 auf einer Insel im Morastland gegründet (siehe Bild oben). Eines der grössten Bauwerke aller Zeiten. Kilometerlange Brücken verbanden die aztekische Hauptstadt, die damals Tenochtitlán hiess, mit dem Festland.  Später trocknete der Morast bzw. der See aus und die Stadt begann unaufhaltsam zu wachsen.

Die Metropolregion Mexico City hat je nach Quelle zwischen 20 und 25 Millionen Einwohner und ist damit eine der grössten Städte der Welt (Tokio mit etwas über 30 Mio. ist die grösste).

Mexico City liegt 2250 Meter über dem Meer… Nochmals: 2250 METER ÜBER DEM MEER!!!

Zwei Vulkane, von denen einer aktiv ist, ragen vor den Toren der Stadt in die Höhe (und zwar weit über 5000 Meter).

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Mexico City hat weltweit die meisten Museen (ca. 200). Fast alle sind am Sonntag umsonst.

Mexico City hat weltweit die meisten IMAX-Kinos.

Mexico City ist die reichste Stadt Lateinamerikas und Carlos Slim, der in Mexico City wohnt, der reichste Mensch der Welt.

Es gibt 19 U-Bahnlinien in Mexico City. Ein U-Bahnticket kostet umgerechnet 20 Cent und ist damit weltweit das Günstigste.

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Die Kriminalitätsrate in Mexico City ist tiefer als jene der meisten US-Grosstädte. In Mexiko nennt man die Hauptstadt deshalb auch oft “The Bubble”.

Die Arbeitslosenrate im gesamten Land ist 4,1% (2016),  das Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf (Stand 2015) 9000 $. Zum Vergleich: Die Arbeitslosenrate in Deutschland beträgt 4,2%, das BIP pro Kopf über 40 000 $.

12 in 12 -Die schräge Welt des Lucha Libre

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Ja, ich gebe es zu. Als der legendäre Horst Brack alias Rochus Hahn Ende der achtziger Jahre bei Catch Up auf RTL2 den moderierenden Fiesling mimte, sass ich nach Mitternacht wie gebannt vor dem Fernseher und hab mir die Ringkämpfe von Ric Flair und Co. angeschaut. Das war Kult. Seither habe ich den Kontakt zum Wrestling verloren. Die Grossveranstaltungen der WWE interessieren mich genau so viel, wie wenn in Peking ein Fahrrad umfällt.

Doch sobald Mexico City als eine der Städte von 12 in 12 feststand war klar: Lucha Libre, die mexikanische Form des professionellen Wrestling, wo sich Männer in Masken gegenüberstehen und sich mit haarsträubenden Akrobatikeinlagen gegenseitig aufs Parkett legen, muss aufs Programm.

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Gesagt, getan. Das Mekka des Lucha Libre ist seit Mitte der fünfziger Jahre die berüchtigte Arena de Mexico. Jeden Freitag geht es hier wild zu und her, wenn die Profiliga Consejo Mundial de Lucha Libre (CMLL) ihre Kämpfe austrägt. Mein Reiseführer rät davon ab, hier allein ohne Touristengruppe hinzugehen. Es kursieren üble Räubergeschichten, was rund um das Stadion schon alles passiert sein soll.

Doch egal. Karten gekauft, rein in die U-Bahn und hin zur Arena. Wird schon gut gehen. Von weitem sieht man die Menschenmassen. Viele haben die Masken ihrer Lieblingskämpfer übergestülpt. Das flösst durchaus Respekt ein. Augen zu und durch. Der „Türsteher“ vor der Arena nimmt mir gleich mal die Kamera ab, gibt sie nach hinten, drückt mir einen orangen Zettel in die Hand und deutet auf ein dunkles Fenster am Ende des Gangs. OK, da muss ich sie wohl abholen, wenn die Kamera dann noch da ist.

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In der Halle ist es ohrenbetäubend laut. Die einzelnen Fangruppen liefern sich mit Sprechgesängen Duelle. „Mistico, Mistico”, schallt es aus der einen Ecke, während die andere Atlantis lautstark unterstützt. Mistico, ganz in Weiss mit goldenen Glitzeraufsätzen, ist der Liebling des Publikums.

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Irgendwie ist es lächerlich, wenn insgesamt gleich sechs Ringkämpfer mit ihren Masken den Ring betreten und jeder eine grössere Show abzieht, als der andere. Doch gleichzeitig strahlt das ganze auch Faszination aus. Mein Sitznachbar auf jeden Fall ist total aus dem Häuschen. Mistico und sein Tag-Team sind drauf und dran, Atlantis und seine Truppe zu vermöbeln. Die Akrobatik ist atemberaubend. Dass sich die Jungs dabei nicht alle Knochen brechen…

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Mistico hat, wie jeder Lucha-Libre-Charakter, eine Hintergrundsgeschichte.  Er wurde als Waisenkind vom Ringpriester Fray Tormensa aufgenommen und von ihm auch trainiert. Als Verteidiger der Armen und Waisen – wie könnte es auch anders sein – trägt er eine lange Fehde mit Mephisto aus.

Mistico ist auch ausserhalb des Rings ein grosser Star. Er ist der Held einer populären Comic-Serie, taucht in Musik-Videos und TV-Shows auf und ist der Liebling unzähliger Kinder in ganz Mexiko. Sie lieben ihren Mistico.

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Am Ende der dritten Runde ist es so weit. Mistico stellt sich auf die Seile in der Ringecke.  Er hat Atlantis, der fordernd mitten im Ring steht, vor sich. Das Publikum weiss, was jetzt bevorsteht.  Mistico hebt ab, wirbelt durch die Luft und streckt Atlantis nieder. Mistico hat gewonnen. Die Welt ist wieder in Ordnung und die Halle ausser Rand und Band.

Schon eine schräge Angelegenheit dieses Lucha Libre. Nach drei Stunden der Spuk vorbei. Ich suche das Fenster am Ende des Ganges. Ich reiche meinen orangen Zettel durchs Gitter.  Alles paletti. Die Kamera ist noch da. Später in der U-Bahn flimmern die Bilder der Kämpfe weiter vor meinen Augen. Hab ich das nur geträumt oder war ich gerade wirklich beim Lucha Libre?

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12 in 12 – Vom Umgang mit dem Tod

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Heute werde ich mal etwas nachdenklicher, denn es geht um den Tod. Wenn ich ehrlich bin, dann ist der Tod für mich eine ganz schreckliche Vorstellung. Ich darf gar nicht darüber nachdenken, denn das macht mich sowas von hilflos. Wenn ich es trotzdem tue, dann fühle ich mich, als ob mir gerade jemand den Boden unter den Füssen weggezogen hätte. Der eigene Tod, der Tod von Familienmitgliedern und Freunden, die Vergänglichkeit und das Ungewisse…grausam.

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Hier in Mexico ist das ganz anders. Die Verstorbenen aus der Familie und gute Freunde sind allgegenwärtig – ganz besonders am Dia de Muertos. Dann wird ihre Lieblingsspeise gekocht, ihr bevorzugter Schnaps getrunken und mit ihnen und über sie gesprochen – sei dies mit der ganzen Familie und Freunden zu Hause, auf dem Dorfplatz mit der Gemeinschaft oder auf dem Friedhof auch mal andächtig nur mit einer Kerze.

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Es wird gesungen, Musik gemacht, getanzt aber auch nachgedacht. Das ist pure Freude und Lebenslust mit einer Prise Melancholie. Alles ist farbig geschmückt, orange Studentenblumen überall und auch Skelette und Totenschädel. Alles ohne Stigma. Es gehört einfach dazu. Schön, hier dabei sein zu dürfen.

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Der Umgang mit dem Tod ist hier viel selbstverständlicher. Wenn jemand zu mir sagt, der Tod gehört zum Leben wie die Geburt, dann schau ich ihn nur fragend an. So eine dumme Floskel. In Mexiko wird das genau so gelebt. Der Tod als Teil des Lebens. Der mexikanische Autor Octavio Paz hatte einmal sinngemäss gesagt: “Der Tod  vermag uns nicht zu schrecken, denn das Leben hat uns gegen Schrecken gefeit. Sterben ist natürlich, sogar wünschenswert.” Irgendwie kann ich das nachvollziehen.

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Schön, wenn einem der unbeschwerte Umgang mit dem Tod schon in die Wiege gelegt wird. Ich selbst habe Schwierigkeiten, an Himmel und Hölle und das Leben nach dem Tod zu glauben. Das würde ich zwar gerne tun. Doch die Düsterheit und Ernsthaftigkeit in unseren Breitengraden hat mir das in meiner Jugend nicht mit auf den Weg gegeben.

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Ich kann zwar nicht behaupten, dass mich der Tag der Toten hier in Mexiko bekehrt hat. Dazu war ich doch mehr Beobachter als ein Teil davon. Ich hatte keine Erleuchtung. Der Tod ist mir noch immer ein Graus. Doch zu sehen, dass andere Leute viel weniger Berührungsängste mit diesem Tabu haben und der ganzen Sache durchaus Positives abgewinnen, das tut gut. Wenn ich das nächste Mal abdrifte und mir über den Tod Gedanken machen sollte, dann versuch ich, an Mexico und den Tag der Toten zu denken.

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