Category Archives: Kunst

12 in 12 – Hoch lebe die Hochkultur für alle

“Hola, was kosten zwei Karten für das Galakonzert zum Tag des Tangos mit den beiden Tangolegenden Raúl Lavié y María Graña?” frage ich am Schalter im Centro Cultural Kirchner. Die Dame schaut mich etwas verwirrt an und antwortet: “Die sind umsonst” und drückt mir die Karten in die Hand.

Umsonst? Das kann doch nicht sein. Ist ihr da ein Fehler unterlaufen? Und die Vorführung vom Orchester unter der Leitung von Nicolas Ledesma? Auch umsonst.

Pahh. In der Tat. Im Centro Cultural Kirchner ist immer alles umsonst. Ob die neue Ausstellung von Brian Eno, das Gastspiel von Ute Lemper oder der grosse Auftritt des argentinischen Nationalorchsters. Umsonst. Bis zu zehn Veranstaltungen, von Lesungen über Konzerte und Workshops, im Centro Cultural Kirchner, das letztes Jahr in der alten Post eröffnet wurde, zahlt man nie was.

Das ist kaum zu fassen. In einem Land, wo der Staatshaushalt so gut wie immer in Schieflage ist, kann man Kultur gratis und franko satt haben und zwar nicht nur im Centro Cultural Kirchner, sonder so gut wie überall. Die neue argentinische Superband Ovvol spielt im Centro Cultural Recoleta ohne Eintritt zu verlangen, das internationale Tanzfestival, das in der ganzen Stadt eine volle Woche lang stattfindet – all free. Filmvorführungen in alten Kinos, Theater, Tanzstunden, Jazz, moderne Kunst, Comedy…was immer das Herz begehrt. Wie gesagt, umsonst.

Allein ins atemberaubende Kirchner-Zentrum kommen jeden Tag rund 10’000 Zuschauer, was die Institution sozusagen über Nacht zur viertgrössten Kulturstätte der Welt gemacht hat. Kultur wird in Argentinien als Grundrecht angesehen und die Ausgaben für die Institutionen als Investition und nicht als Kosten. Das sehe ich auch so. Wer sieht, wie glücklich die Leute sind, die hier herkommen und wie sie es schätzen, wie sie gespannt zuhören und miteinander über das Gebotene diskutieren, der merkt, dass Kunst und Kultur nicht nur was für ein paar abgehobene Intellektuelle ist, sondern was fürs Volk – man muss ihnen nur den Zugang dazu geben.

Warum ich Euch das alles erzähle? Ich frage mich, warum sowas wie hier in Buenos Aires nicht auch in unseren Breitengraden möglich ist. Warum kann es nicht Räume geben, in denen sich die Masse ganz  ohne Zwang auf Kultur und Kunst einlassen kann? Ja klar gibt es Kunstförderung, Tage an denen Museen umsonst oder verbilligt sind, Jugendrabatt, Theaterclubs, mal eine Opernübertragung auf dem grossen Platz  und sonst auch alles Mögliche. Doch das ist nicht dasselbe.

Kultur als Grundrecht ohne tief in die Tasche greifen zu müssen. Das trägt dazu bei, in unseren manchmal doch allzu kühlen und unpersönlichen Gesellschaft etwas Zusammenhalt und Wärme zu schaffen. Ich ziehe den Hut vor Argentinien, Buenos Aires und ganz besonders vor dem Centro Cultural Kirchner My new favorite place und ein Vorbild für uns alle.

12 in 12 – Mafalda – Klein, frech und liebenswert

 

Sie ist gerade mal fünf Jahre alt, ist klein, frech und eigensinnig,  hat immer eine Schleife im Haar und sie ist wohl die beliebteste Argentinierin, noch viel beliebter als die stolze Evita. Sie heisst Mafalda und ist eine Comicfigur. Erfunden hat sie der argentinische Comiczeichner Quino, der von 1964 bis 1973 elf Bände zeichnete, die bis heute an jedem Kiosk und in jeder Buchhandlung zu haben sind. Meine Frau findet, sie hat Ähnlichkeit mit Mafalda – das lass ich jetzt einfach mal so im Raum stehen.

Mafalda tritt für den Weltfrieden, Gerechtigkeit, Demokratie und die Frauenbewegung ein und ist weltanschaulich immer ein Stück schlauer als ihre Eltern. Mafalda liebt die Beatles und hasst Suppe. Mafalda hat mit ihren Ansichten zum Vietnam-Krieg, Atomenergie, Menschenrechten und Gerechtigkeit eine ganze Generation beeinflusst und tut dies heute immer noch.

In Argentinien sind nach Mafalda Plätze und Strassen benannt und an Hauswänden ist sie über die ganze Stadt hinweg verstreut verewigt. Lang lebe Mafalda!!!!!

12 in 12 – Bedient euch, ihr Designer

Es ist kein Geheimnis, dass die grossen Designer gerne Motive  abkupfern, die hunderte, ja manchmal gar tausende von Jahren alt sind. Wer hier in Mexico City die Relikte der Azteken anschaut, der kommt nicht mehr aus dem Staunen raus.

Hier einige wunderschöne  Muster, die doch gut als Stoffvorlage für die Herren Ford, Simmons oder Lagerfeld dienen könnten, oder nicht? Bedien dich Tom, wenn du willst. Trau dich.

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12 in 12 – Slim und Rodin mal 380

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Einige von Euch werden den Namen Carlos Slim kennen, andere nicht. Na dann will ich Euch kurz auf die Sprünge helfen. Herr Slim lebt in Mexico City und ist der reichste Mensch der Welt. Jahr für Jahr duelliert er sich mit Bill Gates um diesen Titel.  Sein Vermögen hat er dank der Privatisierung des mexikanischen Telekomgiganten Telmex gemacht. Zack – so einfach geht das.

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Wie Gates hat auch Slim eine Stiftung, die viel Gutes tut und die viel Geld in Kunst investiert. Als ich las, dass die Stiftung hier in Mexico City ein Museum gebaut hat, das eine der weltweit wichtigsten Kunstsammlungen beherbergt, dachte ich mir: Da muss ich hin. Das Museo Soumaya haut einen schon visuell um. Sechs Stockwerke voller Kunst. Insgesamt sollen es 66’000 Werke sein. Der Wert liegt bei weit über 1 Mrd. US-Dollar.  Alles gibt es hier: Van Gogh, Degas, Picasso, Miro, Dali und und und.

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Doch nichts, aber auch gar nichts kann einen auf den Besuch des obersten Stockwerks vorbereiten. Hier stehen in einem einzigen Raum fast wahllos zusammengewürfelt 380 Skulpturen des französischen Bildhauers Auguste Rodin. 380 SKULPTUREN VON AUGUSTE RODIN!!! Ich weiss nicht genau was das soll. Schön ist das irgendwie nicht mehr, sondern eher unheimlich. Man bewegt sich in einem Raum, aus dem jedes andere Museum schon stolz wäre, eine einzige der Skulpturen zu haben. Irgendwie Verschwendung. Man kann sich keinem einzelnen Werk widmen, sondern ist völlig verloren und überfordert. Tage später kann ich mich an keine einzige der Skulpturen mehr erinnern. Ob Carlos das gewollt hat?

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Na gut, es gibt zwei Sachen, die diesen Wahnsinn irgendwie rechtfertigen. Erstens hat Carlos Slim das Museum zu Ehren seiner Frau gebaut, die leider 1999 im Alter von nur 50 Jahren verstarb.  Das Museum trägt deshalb auch ihren Namen. Zweitens ist das Museum für alle umsonst, denn jeder soll sich ein Bild von den schönen Künsten machen können. Naja, ich sagte ja schon, irgendwie rechtfertigen. 380 Skulpturen von Rodin in einem Raum…

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12 in 12 – Es gibt Musik in Mexiko

Mexiko hat wohl die interessanteste Musikszene Lateinamerikas. Ich habe hier einige echt coole Bands live gesehen. Hier sind die, von denen ich glaube, dass es wert ist, dass ihr Euch die mal anschaut bzw. anhört.

Tessa Ia

Die 21-jährige ist Schauspielerin und hat gerade ihr Debut-Album abgliefert. Sie ist so herrlich erfrischend und macht einfach nur gute Laune – mir zumindest.

Rey Pila

Rey Pila ist für mich die beste Band Mexikos. Ihr Debut 2009 wurde von Paul Mahajan produziert, der schon The National, die Yeah Yeah Yeahs und TV on the Radio seinen Stempel aufgesetzt hatte. Das neuste Werk ist von niemand anderem als Julian Casablancas von den Strokes Co-Produziert. Das hört man:

 

Sotomayor

Die Zwillinge Raul und Paulina Sotomayor sind Sotomayor, eine Elektroband mit sphärischen Einflüssen. Guter Lounge Sound und das mein ich nicht despektierlich.

 

Juan Soto

Der mexikanische Meister der Disco-Musik ist live eine Wucht. Da wird ungewollt das Tanzbein geschwungen. Wipp, Wipp, Wipp und drehen…es lebe der mexikanische Produzent und DJ.

Sol Pereyra

Dann ist das noch Sol Pereyra, die zwar aus Argentinien stammt aber in Mexico City ein zweites zu Hause gefunden hat. Unbeschwerter Pop-Rock.

 

12 in 12 – Frida und Diego

Ihr Schmerz ist in jedem ihrer Bilder sichtbar, ihre Energie unmittelbar spürbar und ihre Zielstrebigkeit und das Chaos auf den ersten Blick erkennbar. Umso erstaunlicher ist es, dass das Atelier Mexikos berühmtester Tochter Frida Kahlo eine Ruhe ausstrahlt, wie kaum ein anderer Platz auf dieser Welt. Hier im Süden von Mexico City, im Stadtteil San Angel, hat Frida zusammen mit ihrem Diego zwischen 1934 und 1940  ihre wichtigsten Werke geschaffen: Sie im blauen und Diego im weissen Haus. Das vom Bauhaus beeinflusste Gebäude wurde für die beiden Streithähne vom gemeinsamen Freund und Stararchitekten Juan Gorman gebaut.

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Diego ist übrigens kein geringerer als Diego Riviera, Mexikos liebster Sohn und bedeutendster Maler, der unsterblich in Frida verliebt war, sie dennoch immer wieder unglücklich machte und sie gleich zweimal geheiratet hat. Die Ehe als wild zu bezeichnen, ist sicher eine Untertreibung.

Ich bin mir nicht ganz sicher, warum mich Frida Kahlo so fasziniert. Wie wohl die Meisten bin ich erst 2002 in Kontakt mit der grossen Künstlerin gekommen, als Salma Hayek die Hauptrolle in “Frida” spielte, und Frida sowohl die Frauen- als auch die Männerwelt zu Füssen lag. Der biographische Film, der zwei Oscars abräumte, brachte  die Symbolfigur des Feminismus, die sich weigerte, ihre kräftigen Augenbrauen auszudünnen und ihren Damenbart zu rasieren und der es  dennoch gelang, Männer wie Trotsky, Picasso, Max Ernst, Paul Éluard, Joan Miró und Kandinsky in ihren Bann zu ziehen, einem breiten Publikum nahe.

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Zeit ihres Lebens litt Frida unter den Folgen eines Busunfalls. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag wurde ihr eine Stange durch den Rücken gebohrt. Über Jahre hinweg trug sie deshalb ein Korsett und verspürte immer wieder grosse Schmerzen.  Ihre unzähligen Selbstportraits haben auch deshalb immer etwas sehr strenges und unnahbares an sich.

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Diese Schmerzen ertrug sie ihr ganzes Leben lang, rauchte, trank und erzählte unanständige Witze. Einmal sagte sie: “Doktor, wenn sie mich diesen Tequila trinken lassen, dann verspreche ich Ihnen, dass ich zu meiner Beerdigung nicht trinken werde.” Frida Kahlo schuf mit ihren Bildern etwas völlig Neuartiges – Dinge und Motive, die zu ihrer Zeit alles andere als normal waren. So malte Frida Kahlo farbenfrohe Pflanzen, Tiere, traumähnliche, mystische und religiöse Motive ebenso wie nackte und verwundete Körper, Skelette und Totenköpfe – häufig thematisiert sie in ihren Bildern Geburt und Tod, Sexualität und Gewalt.

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Die Künstlerin zog immer wieder Männerkleidung an und hob in einigen ihrer Selbstporträts ihren Damenbart und ihre kräftigen Augenbrauen besonders hervor. Ein Enfant Terrible, das sich keine Grenzen setzen liess und sich auch sexuell immer genau das machte, was ihr Spass machte. Sie liess sich nie unterkriegen, egal wie schwer gerade alles war. Zitat von ihr:

“Letztlich sind wir fähig, sehr viel mehr auszuhalten, als wir uns vorstellen können.”

1954 im Alter von 47 Jahren starb Frida offiziell an einer Lungenentzündung – die meisten Kunsthistoriker gehen jedoch von einem Selbstmord aus. Diego Riviera kam über ihren Tod nie hinweg. Hier in San Angel ist all das  spürbar. Doch neben all diesem Schmerz spüre ich noch etwas anderes. Ich spüre, dass im Leben vieles möglich ist. Man muss, wie es Frida immer getan hat, nur daran glauben und es auch versuchen. Das kann in Glück oder in Schmerzen Enden. Beides gehört zum Leben und beides sind Erfahrungen, die das Leben bereichern.

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Übrigens, der Vater von Frida kam aus einer bürgerlichen deutschen Familie aus Pforzheim wanderte jedoch mit 18 Jahren nach Mexiko aus. Aus Carl Wilhelm wurde vier Jahre später Guillermo Kahlo, der 1898 die Tochter eines Fotografen heiratete. Frida erblickte neun Jahre später, am 6. Juni 1907, das Licht der Welt.

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Hier der Link zum vollständigen Film, ganz umsonst auf Youtube:

https://www.youtube.com/watch?v=z32lIlzHMvQ

12 in 12 – Warum die Madonnelle das Herz von Rom sind

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Sie werden von den einheimischen verehrt und geliebt. Sie sollen schon so manches Wunder vollbracht haben, sind Schutzpatron und Wächter und sie sind schön, wunderschön. Die Rede ist von den kleinen Madonnen, den sogenannten Madonnelle, die in Rom an so gut wie jeder Hausecke in rund 5 Metern Höhe angebracht sind.

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Mehrere Tausend gibt es davon in Rom – jemand sei beim zählen mal auf genau 2753 gekommen. Die Tradition greift für einmal nicht auf die Römerzeit, sondern auf das 16. Jahrhundert zurück. So sollten die Römer immer wissen, dass die Jungfrau Maria sie auf dem Weg nach Hause von oben herab beschützen würde. Das wussten Gläubige und Ungläubige gleichsam zu schätzen, denn die Madonna ist sozusagen seit jeher das Maskottchen von Rom.  Ein schöner Nebeneffekt war, dass die kleine Lampe, die zur Beleuchtung der Mutter Gottes diente, oft die einzige Strassenbeleuchtung in der Nacht war. Einige Diebe soll das Licht und die wachsamen Augen Marias in der Tat abgeschreckt haben.

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Wunder werden so gut wie jeder Maria zugeschrieben. 1544 leuchtete die Lampe einer Madonna am Tiber auch nach der grossen Flut weiter. 1796 haben sich die Augen der Madonna dell Archetto mehrere Male bewegt, bevor Napoleons Truppen angegriffen haben. 1835 soll sich das selbe als Warnung vor einer Choleraepidemie abgespielt haben.

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Die Madonnen hängen seit hunderten von Jahren im Freien. Einige haben ein kleines Blechdach zum Schutz, andere sind hinter Glas. Doch die meisten sind Wind und Wetter ausgesetzt , was seine Supern hinterlässt. Doch genau das macht den Charme der Kunstwerke aus.  Ohne die Madonnelle wäre Rom nur halb so schön.

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12 in 12 – Der Junge aus dem 1. Jahrhundert

Ich weiss nicht, wie es Euch geht. Doch bei mit kommt es nicht sehr oft vor, dass ein Kunstwerk bleibenden Eindruck hinterlässt oder mich gar prägt. Die wenigen Male, wo dem so war, werde ich allerdings nie vergessen. Es begann mit der japanischen Brücke von Claude Monet, die ich mir als Teenager in der National Gallery in London immer und immer wieder angeschaut habe, dann kam die Landkarte von Jasper Jones, 99 Cents von Andreas Gursky, die Kreidefelsen von Rügen von Kaspar David Friedrich und Black in Deep Red von Mark Rothko.

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Wenn es um alte Kunst geht – und damit meine ich die ganz alte Kunst der Ägypter, Römer und Griechen, bin ich in der Regel immun. Seit gestern has sich das geändert. Ich bin mir nicht einmal ganz sicher warum. Doch es war so.  Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet. Das Museo Barrocco besuchten wir mehr wegen der schönen Villa, als wegen der griechischen und römischen Kunstschätze. Doch als ich im zweiten Stockwerk vor der Büste eines Jungen stand, von der nicht viel mehr bekannt ist, als dass sie aus dem ersten Jahrhundert nach Christus stammt, lief mir ein kalter Schauer den Rücken herunter. Ich sah den Jungen an und war mir sicher, dass er lebte. Er starrte mich an und erzählte mir von seinem Leiden, von seiner Jugend, von seinen Problemen und Ängsten. Ich fühlte mich in die Zeit der Römer zurückversetzt und vergass alles um mich herum. Ich war hypnotisiert ohne Gefühl für Zeit und Raum. Keine Ahnung, wie lange ich vor der Büste stand. Angesicht in Angesicht. Wie kann ein Kopf aus Marmor nur so eine Aura haben? Ich hatte schon hunderte, wenn nicht Tausende ihrer Art gesehen. Normalerweise laufe ich einfach daran vorbei. Ich weiss es nicht und es ist auch egal. Ich weiss allerdings, dass eine Verbindung da war, die mich gleichzeitig traurig und auch glücklich gemacht hat.
Morgen werde ich wieder hingehen ins Museo Barocco. Ich muss wissen, was mir der Junge aus dem ersten Jahrundert dann zu erzählen hat.

 

12 in 12 – Auf der Reise mit John Keats

‘I am certain of nothing but the holiness of the heart’s affections, and the truth of imagination.”                 John Keats

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John Keats ist zusammen mit Byron und Shelley nicht nur der bedeutendste Dichter der englischen Romantik, sondern auch mein Vorbild, wenn es um Poesie, Ehrlichkeit und  Selbstzweifel geht. Ein Vorbild im Sinne der Bewunderung und leider nicht des Talents… Es ist wohl purer Zufall. Doch unsere Wege haben sich immer wieder gekreuzt. Als ich in London lebte, lag Keats Wohnhaus nur wenige Schritte von unserer Türschwelle entfernt, direkt am Hampstead Heath. Einige schöne Nachmittage hatte ich im Garten vor seinem Haus verbracht.

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Jetzt in Rom ist Keats wieder allgegenwärtig. Gewohnt hat er 1820/21 in seinem letzten, durch eine schwere Krankheit geprägten Jahr, an der spanischen Treppe, begraben wurde er auf einem Friedhof im Stadtteil Testaccio, dem “Cimitero Accatolica

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Nur 25 Jahre alt ist Keats geworden. Auf Einladung von Percy Bysshe Shelley war er mit seinem Freund Joseph Severn nach Rom gereist, um dort die Tuberkulose los zu werden. Doch es war zu spät.

Keats hat Autoren wie Oscar Wilde stark geprägt. Wilde nannte das Grab Keats “den heiligsten Ort in Rom”. Irgendwie versteht man das auch, wenn man vor der Ruhestätte steht und einfach nur tief durchatmet.

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Der Friedhof liegt etwas ausserhalb des Stadtzentrums. Es ist still hier. Jedes Grab hat eine Geschichte zu erzählen. Das spürt man. Neben Keats liegen hier auch Shelley und Severn, Goethes Sohn August, der Architekt Gottfried Semper, der Maler Jacob Asmus Carstens und der deutsche Poet Wilhelm Friedrich Waiblinger.

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Keats Name steht nicht auf seinem Grab, sonder der Satz: “Here Lies One Whose Name was writ in Water”. So wollte er es.  Bis heute streiten sich die Gelehrten, was er damit genau meinte. Doch für mich ist es klar. Keats war es wichtig,  etwas zu hinterlassen und die Zuneigung der Öffentlichkeit zu spüren. Gerade in seinen letzten Jahren wurde er immer schärfer kritisiert. Seine Beliebtheit nahm ab. Keats muss es vorgekommen sein, als sei alles, was er hinterlassen werde, sein ins Wasser geschriebener Name, der verschwindet, ehe er überhaupt fertiggeschrieben wurde. Ein trauriges Bild. Doch so geht es uns ja allen – und das ist auch OK so.

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Nicht ganz so poetisch wie Keats Worte sind jene, die ich auf einem Grabstein fernab von Keats Ruhestätte entdecke. Gaby Andre Smith fordert ihre Nachkommen auf: “If you think of me, smile to the next person you see”.  So einfach, aber so schön.

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12 in 12 – Einbahnstrasse – Clet Abraham

Hier im Centro Storico von Rom gibt es einen witzigen Graffitikünstler, der sein Unwesen treibt. Ist Banksy in Rom oder hat Invader, der Franzose mit den witzigen Space Invader Mosaiken, eine neue Passion?

Nein, die veränderten Verkehrsschilder sollen von Clet Abraham gesprayt werden, heisst es. Er ist ursprünglich Franzose und damit seit einigen Jahren auch in anderen Städten in Italien, sowie international in New York und London unterwegs. Auf Instagram seht ihr, was er alles so cooles macht.

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