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12 in 12 – Was zu Hause ist

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„Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird“, hatte schon der deutsche Dichter Christian Morgenstern vor über 100 Jahren festgestellt.

Ich weiss nicht wie es Euch geht. Doch für mich hat der alte Herr Morgenstern damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Zu Hause zu sein, sich zu Hause zu fühlen, ist die Grundvoraussetzung fürs Glücklich sein. Das Gefühl, mit einer Landschaft, mit Menschen, mit Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen verbunden zu sein, gehört zu unseren wichtigsten Grundemotionen.

Zu Hause ist für mich nicht dort, wo ich geboren oder zur Schule gegangen bin und auch nicht dort, wo ich meine erste eigene Wohnung oder ersten Job hatte, sondern dort, wo ich mich wohl fühle oder wie es Morgenstern besser sagte: verstanden werde.

Doch was trägt dazu bei, dass man sich wohl fühlt bzw. verstanden wird? Ist es der Ort, die Bleibe oder die Leute, mit denen man sich umgibt? Wie schnell entsteht ein zu Hause und wie lange ist es das? Eine Bauernregel dazu gibt es keine und eine Antwort darauf kann ich auch nicht geben – doch subjektive Empfindungen habe ich schon.

Moskau schenkte mir die wunderschöne Erfahrung, mich schon nach nur einer Woche zu Hause zu fühlen. Das war ein Glücksfall – ein unerwarteter. Unsere Wohnung war dabei der zentrale Faktor. Hier war ein Künstler zu Hause. Hier hatte jeder einzelne Gegenstand seine Bedeutung. Hier lagen positive Gedanken in der Luft. Auf wundersame Weise führte das zu einer Vertrautheit und einem Wohlfühlen, das mir Sicherheit, Ruhe und Geborgenheit gegeben hat. Wie ist das bei Euch zu Hause?

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In Rom erlebe ich Ähnliches. Zwar lässt mich die modern und unpersönlich eingerichtete Wohnung, ganz nahe des so charmanten Campo de’ Fiori, kalt. Doch schon das Schweifen lassen des Blickes von der Terrasse über die Dächer Roms, die Geräusche, die von der Strasse nach oben dringen und die Spaziergänge durch verwinkelte Gassen, machen mich zufrieden und lassen mich ein ganz klein wenig zu Hause fühlen.

Es wird oft unterschätzt, dass auch eine Stadt ein Freund sein kann. Ein guter, richtiger Freund. Ein Freund, der zu einem steht und der einen nie enttäuscht. New York beispielsweise ist mein Freund. Mein Freund New York, mit dem ich sechs Jahre zusammenlebte, aber den ich vor über zehn Jahren verlasen habe, wartet auf mich und ist immer für mich da, wenn ich ihn brauche. Ich verstehe ihn und er mich, auch wenn ich ihn eine Weile nicht gesehen habe. Er gibt mir Geborgenheit, in der Sekunde, in der ich wieder die Luft um ihn einatme. Dieser Freund hört mich, unterstützt mich, lacht mich nicht aus, lässt mich in Ruhe, tritt mir in den Arsch, stärkt mir den Rücken, bewahrt mich vor Fehlern und lässt mich gleichzeitig Fehler machen. Er kämpft für mich.

Ich bin gespannt, welche der 12 Städte, die wir in den nächsten Monaten besuchen, auch zu meinem Freund und Partner in Crime werden. Ich will da noch gar kein Urteil fällen – auch nicht für Moskau und Rom. Denn Freundschaften bzw. Freunde werden erst so richtig getestet, wenn man sich länger nicht mehr sieht.

Ich bin davon überzeugt, dass das Heimatgefühl auch davon geprägt wird, wie lange man irgendwo verweilt. Wiederholte Abläufe, die sich emotional positiv auswirken, tragen dazu bei. Der allmorgendliche Gang zum Forno Campo de Fiori und die flotte Begrüssung dort, das Erwachen der Stadt beim Joggen entlang des Tibers, das Lächeln des Barristas bei Roscioli, wenn er mich fragt, ob ich noch ein Glas Wasser will, das „Salve“ beim Tabacchiere wenn ich die Buskarte kaufe – das alles kann, je öfter sich die Abläufe wiederholen, Heimatgefühle auslösen und zwar starke und bleibende.

Die Wohnung, die Stadt und die Leute. Ja, die Leute. Ich könnte mir kaum vorstellen, dass sich ein zu Hause entwickeln kann, ohne die Vertrautheit und Liebe einer oder mehrerer Personen. Das zu entwicklen an einem neuen Ort ist schwierig – sehr schwierig.  Einen guten Freund oder einen Partner zu finden, der einem Vertrautheit, Geborgenheit und…ja genau, Heimatgefühle gibt, ist die Grundvoraussetzung für Zufriedenheit. Da habe ich grosses Glück, dass diese Person bei mir in jeder Stadt ganz einfach immer mit dabei ist.

Heimat ist ein innerer Zustand.