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12 in 12 – Eine Ode an Carlos Tevez

 

 

 

Über zehn Jahre ist es her, als ich den Namen Carlos Tevez zum ersten Mal gehört habe. Ich erinnere mich gut daran. Ich sass auf dem Rücksitz eines Taxis in Buenos Aires. In der argentinischen Zeitung Clarin stand, dass der Boca-Juniors-Superstar Carlos Tevez eventuell zu Bayern München wechselt. Der Taxifahrer meinte, dass das eine Falschmeldung sei. Sein “Carlitos”, wie Tevez hier liebevoll genannt wird, werde sicher nicht nach Deutschland wechseln. So war es dann auch. Tevez wechselte Anfang 2005 zum brasilianischen Spitzenteam Corinthians.

Der Taxifahrer fuhr mich direkt zur Bonbonera, dem legendären Stadion der Boca Juniors. Dort war die Hölle los. Diego Armando Maradona, auch ein ehemaliger Boca-Spieler, sass im Stadion.  Boca spielte gegen Velez. Carlos Tevez schoss den Gegner im Alleingang ab. Es war beeindruckend, ihn mit dem Ball tänzeln zu sehen, zuzuschauen wie er sich durch die  Abwehrreihen des Gegners tankt und jede Torchance eiskalt ausnutzte. Ein Vollblutstürmer, der sich nicht zu schade ist, auch mal weite Wege zu gehen.

Ich war gespannt, wo der begnadete Fussballer, der damals gerade mal 20 Jahre alt war, landen würde. Nie und nimmer hätte ich zu träumen gewagt, dass Tevez, der in Brasilien gar nicht glücklich war, zu meinem Verein West Ham United wechseln würde. Ich lebte zu dieser Zeit in London und hatte ein Season Ticket für West Ham. Da kam der Knaller. Tevez und der damals total unbekannte Verteidiger Javier Mascherano (heute Stammspieler bei Barcelona), standen wie aus dem Nichts bei West Ham unter Vertrag. Kein Scherz, sondern Tatsache. Das kleine West Ham hatte den grossen Calritos geholt.

West Ham sah wie der sichere Absteiger aus, als Carlos Tevez als Retter in der Not kam. Er spielte sich in die Herzen der Fans und wirbelte auf dem Platz herum, als gäbe es kein Morgen. Tevez, der Fussballgott…Er schoss unter anderem den Siegestreffer im allerletzten Spiel auswärts gegen Manchester United, der uns in allerletzter Sekunde den bitteren Abstieg ersparte. Es war so schön. Danke Carlitos.

Nach nur einer Saison war die Herrlichkeit vorbei. Tevez wechselte zu ManchesterUnited, dann zu Man City und zu Juventus Turin. Für die Juve schoss er in zwei Saisons (2013/2015) allein in der Liga mal so eben 40 Tore. Doch Tevez hatte Heimweh. Er wollte zurück nach Buenos Aires zu seinen geliebten Boca Juniors. Das kam dann auch so und  dort spielt er jetzt auch noch.

Carlitos und ich wieder mal in der gleichen Stadt. Im Derby vor einer Woche gegen River Plate, dem sogenannten Superclassico, drehte Tevez das Spiel, als wäre es die einfachste Sache der Welt, im Alleingang. Zwei Tore und eine Vorlage war seine Ausbeute. Vor der Bonbonera steht mittlerweile eine Statue von Carlitos. Sie lieben ihn hier und wer kein Boca-Fan ist, der respektiert ihn. Für viele Einheimische ist er der beste argentinische Fussballer aller Zeiten. Ein hohes Lob, wenn man bedenkt, dass es noch Namen wie Messi und Maradona gibt.

Die Geschichte hat nur ein halbes Happy End. Tevez hat gestern hier sein letztes Spiel gespielt. Der chinesische Verein Shanghai Shenhua hat den Argentinier unter Vertrag genommen. Rund 1 Million Euro wird er dort verdienen und das pro Woche. Das macht ihn zum best bezahlten Fussballer der Welt. Bei jedem anderen Fussballer hätte ich den Kopf geschüttelt. Doch dem mittlerweile 32 Jahre alten Carlos Tevez kann ich vieles verzeihen, denn der Vollblutfussballer, der in jedem Spiel ohne Ausnahme 100% gibt, hat mir und so vielen anderen viel viel Freude bereitet.
Eine kleine Kostprobe:

12 in 12 – Das Leben auf dem Spielfeld lassen

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Das alte Olympiastadion in Mexico City bebt. Immer wieder dieser Gesang: “GOOOOOOYA, GOOOOOOYA, CACHUN CACHUN RARA, CACHUN CACHUN RARA, GOOOOOOYA UNIVERSIDAD¡¡¡¡” Unverkennbar. Hier spielen die Unam Pumas, das Team der Universidad Nacional Autónoma de México.

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Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken runter. Richtiges Gänsehautfeeling. Ich habe schon viele Fussballspiele gesehen, manche würden gar sagen, zu viele. Doch das hier ist etwas ganz Besonderes. Hört Euch an, wie der Schlachtruf durchs Stadion hallt:

Fussball ist in Mexiko eine Religion, genauso wie in Brasilien und Argentinien. Hier in Mexiko City ist man entweder ein Puma oder ein America. Die beiden erfolgreichsten Clubs der Stadt sind Erzrivalen. Geht es nach den Puma-Fans, mit denen ich spreche, ist Club America der Teufel. Der Verein gehört dem mächtigen Medienkonzern Televisa, der auch das legendäre Aztekenstadion besitzt. Jedes Jahr werden teure Spieler, vor allem aus Brasilien verpflichtet.  “So wollen wir nicht sein”, sagt Miguel, der eine Reihe vor mir sitzt. “Da gewinne ich lieber ein oder zwei Meisterschaften weniger.” Die Pumas haben keinen Financier, sondern werden von der grössten Universität Lateinamerikas unterstützt. Das wird auch so bleiben.

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Zurück zum Spiel. Unam spielt übrigens gegen die Monarchas und liegt 0:1 zurück. Doch das ist Nebensache. Die Sonne scheint, die Stimmung ist ausgelassen und überall rasen Verkäufer rum, die irgend was interessantes anbieten. Eine Kugel Eis mit Chili, Cueritos (eingelegte Schweineschwarte mit Limettensaft), scharfe Geflügelsuppe, mit viel Schlagsahne gefülltes Gebäck, frische Tacos, Tortilla-Chips mit Salsa Verde, und natürlich Bier.

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Hier werden immer gleich zwei Corona-Flaschen gleichzeitig in den Becher geleert. Ich genehmige mir auch ein bzw. zwei Coronas. Jetzt macht das Spiel gleich noch ein bisschen mehr Spass. Dann wieder dieser Gesang:

“GOOOOOOYA, GOOOOOOYA, CACHUN CACHUN RARA, CACHUN CACHUN RARA, GOOOOOOOYA UNIVERSIDAD¡¡¡¡”

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Was heisst das überhaupt, frage ich meinen Sitznachbarn. Das sei kompliziert. Eine direkte Übersetzung gebe es nicht. Der Schlachtruf geht auf Luis Rodrigez zurück, der in den 40er Jahren an der Universität studierte und der beliebteste Student war. Ihm gelang es durch seinen Charme und Überzeugungskraft mit den grossen Kinos in der Stadt zu vereinbaren, dass Studenten umsonst reindurften. Das berühmteste Kino war das Goya, das Studenten bis dahin nicht mal einen Rabatt gewährt hatte…bis Luis Rodriguez kam.

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So bürgerte sich ein, dass die Studenten an grossen Veranstaltungen, Demonstrationen und Abschlussfeiern immer Goya, Goya riefen. Über die Jahre kamen immer mehr Worte dazu, die gemäss meinem Sitznachbarn nicht wirklich etwas bedeuten. Doch gemeint sei, dass die Spieler ihr Leben auf dem Spielfeld lassen und mit allem was sie haben für den Sieg der Pumas kämpfen sollen. Nicht schlecht… Beim der nächsten Gelegenheit  stimme ich lautstark in den Gesang mit ein. Es ist einfach ansteckend.

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Das Spiel geht vor rund 60 000 Zuschauern übrigens trotz hoher Überlegenheit der Pumas 1:1 aus. Unam beendet die Saison auf Platz sieben und steht in den Play-Offs. Wer da gewinnt, ist noch völlig offen. “Solange es nicht America ist, ist mir egal wer gewinnt” sagt Miguel.

Ich hatte Spass von der ersten bis zur letzten Minute. Ja, ich bin jetzt auch ein Puma.

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P.S. Noch einige Fakten zu den UNAM Pumas:

Sieben Meistertitel, den Letzten 2011.

Die goldene und blaue Farbe des Trikots und des Emblems wurde in  Anlehnung an die US-Universität Notre Dame gewählt, deren Coaches damals die Organisation aufgebaut hatten.

Bei den Pumas spielten unter anderem Bernd Schuster, Hugo Sanchez, Manuel Negrete, Jorge Campos und als Trainer der legendäre Bora Milutinovic.