Category Archives: Mexico City

12 in 12 – Vom Umgang mit dem Tod

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Heute werde ich mal etwas nachdenklicher, denn es geht um den Tod. Wenn ich ehrlich bin, dann ist der Tod für mich eine ganz schreckliche Vorstellung. Ich darf gar nicht darüber nachdenken, denn das macht mich sowas von hilflos. Wenn ich es trotzdem tue, dann fühle ich mich, als ob mir gerade jemand den Boden unter den Füssen weggezogen hätte. Der eigene Tod, der Tod von Familienmitgliedern und Freunden, die Vergänglichkeit und das Ungewisse…grausam.

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Hier in Mexico ist das ganz anders. Die Verstorbenen aus der Familie und gute Freunde sind allgegenwärtig – ganz besonders am Dia de Muertos. Dann wird ihre Lieblingsspeise gekocht, ihr bevorzugter Schnaps getrunken und mit ihnen und über sie gesprochen – sei dies mit der ganzen Familie und Freunden zu Hause, auf dem Dorfplatz mit der Gemeinschaft oder auf dem Friedhof auch mal andächtig nur mit einer Kerze.

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Es wird gesungen, Musik gemacht, getanzt aber auch nachgedacht. Das ist pure Freude und Lebenslust mit einer Prise Melancholie. Alles ist farbig geschmückt, orange Studentenblumen überall und auch Skelette und Totenschädel. Alles ohne Stigma. Es gehört einfach dazu. Schön, hier dabei sein zu dürfen.

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Der Umgang mit dem Tod ist hier viel selbstverständlicher. Wenn jemand zu mir sagt, der Tod gehört zum Leben wie die Geburt, dann schau ich ihn nur fragend an. So eine dumme Floskel. In Mexiko wird das genau so gelebt. Der Tod als Teil des Lebens. Der mexikanische Autor Octavio Paz hatte einmal sinngemäss gesagt: “Der Tod  vermag uns nicht zu schrecken, denn das Leben hat uns gegen Schrecken gefeit. Sterben ist natürlich, sogar wünschenswert.” Irgendwie kann ich das nachvollziehen.

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Schön, wenn einem der unbeschwerte Umgang mit dem Tod schon in die Wiege gelegt wird. Ich selbst habe Schwierigkeiten, an Himmel und Hölle und das Leben nach dem Tod zu glauben. Das würde ich zwar gerne tun. Doch die Düsterheit und Ernsthaftigkeit in unseren Breitengraden hat mir das in meiner Jugend nicht mit auf den Weg gegeben.

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Ich kann zwar nicht behaupten, dass mich der Tag der Toten hier in Mexiko bekehrt hat. Dazu war ich doch mehr Beobachter als ein Teil davon. Ich hatte keine Erleuchtung. Der Tod ist mir noch immer ein Graus. Doch zu sehen, dass andere Leute viel weniger Berührungsängste mit diesem Tabu haben und der ganzen Sache durchaus Positives abgewinnen, das tut gut. Wenn ich das nächste Mal abdrifte und mir über den Tod Gedanken machen sollte, dann versuch ich, an Mexico und den Tag der Toten zu denken.

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12 in 12 – La Catrina stiehlt allen die Show

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An jeder Ecke sieht man heute in Mexico City weiss geschminkte, elegante und selbstbewusste Frauen, die ihren Mund schwarz verziert haben und wie ein Skelett oder ein Untoter aussehen. Die stolzen Damen erinnern mich etwas an Frida Kahlo. Es ist sie aber nicht. Die Figur heisst La Catrina und ist die ungekrönte Königin des Dia de Muertos, des Tag der Toten.

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La Catrina geht auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, als der Kupferstecher Jose Guadeloupe Posada die Gestalt erfand, um sich über die mexikanische Oberschicht, die immer bestrebt war, sehr europäisch zu wirken, lustig zu machen.

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Als die mexikanische Revolution 1910 begann, die 1911 zum Sturz des Diktators Porfirio Diaz führte,  tauchte das Bild der La Catrina immer wieder auf. Sie symbolisierte das  Ende der Diktatur und der Macht der Oberschicht (naja, das Letztere hat nicht ganz geklappt).

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Spätestens als Diego Rivera, der berühmteste Maler Mexikos, der mit Frida Kahlo verheiratet war, La Catrina in seinem Gemälde “Sonntagsträumerei in der Alameda” aufgreift, hat sich der Kult um La Catrina verselbstständigt.

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“Catrina” ist im Spanischen ein Ausdruck für eine wohlhabende oder reiche Person, allerdings mit abwertendem und sarkastischem Unterton. Die Mexikaner lachen dem Tod ins Gesicht. Dass La Catrina eine reiche Frau symbolisiert kommt nicht von ungefähr. Wenn der Tod kommt sind wir alle gleich steckt als “Message” auch etwas hinter dieser Symbolik.

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Heute steht La Catrina für Freiheit, Revolution und Unabhängigkeit und natürlich auch für starke Frauen. Viva La Catrina!!!

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Der Kupferstich als Ursprung der La Catrina
Der Kupferstich von Jose Guadeloupe Posada als Ursprung der La Catrina.

 

12 in 12 – Mexico City kopiert James Bond

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Eigentlich darf ich das ja gar nicht zugeben. Doch der Hauptgrund warum Mexico City auf unserer 12 in 12 Liste steht, ist die Eröffnungssequenz des letzten James-Bond-Films” Spectre”. Die Szene spielt in Mexico City am Dia De Los Muertos, dem Tag der Toten. Eine atemberaubende Parade mit meterhohen Pappmaché-Skeletten und anderen Ungeheuern ist in vollem Gang. Mr. Bond ist, wie könnte es auch anders sein, auf einer Mission. Sowas spektakuläres hatte ich im Kino schon lange nicht mehr gesehen. Da wusste ich: Nach Mexico City muss ich hin und zwar genau zum Tag der Toten. Das will ich erleben.

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Gross war die Enttäuschung,  als ich hier ankam und feststellte, dass es im Prinzip gar keine Parade gibt und auch nie gab. Der Dia De Los Muertos ist zwar das grösste und wichtigste Fest Mexikos, doch ein grosser Umzug? – Fehlanzeige.  Alles von James Bond erfunden.

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Moment mal, nicht so voreilig. Was les ich denn da. Zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos wird dieses Jahr ein paar Tage vor dem offiziellen Tag der Toten, der immer am 2. November ist, eine Parade durchgeführt und zwar ganz offiziell in Anlehnung an James Bond. Kaum zu glauben. Doch so soll der Tourismus angekurbelt werden. Das ambitiöse Ziel: eine Konkurrenzveranstaltung zum Carnival in Rio erschaffen. Mir soll’s recht sein. Hauptsache ich kriege meine Parade.

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Hunderttausende stehen an diesem perfekten Tag in Mexico City an  der Strasse. Alles ist farbig, die Kostüme sind spektakulär, Masken überall. Die überdimensionalen Schreckensfiguren aus Pappmaché zaubern ein breites Lachen auf die Gesichter der Zuschauer. Genau so war es im Film. Riesige Begeisterung, grosses Gedränge und eine faszinierende Ambience. Es hat sich gelohnt.

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Mehr Details zum Dia De Los Muertos bring ich Euch übrigens nach dem 2. November, wenn ich Friedhöfe besucht, Schreine gesehen und mit Leuten gesprochen habe – verprochen. Doch dies schon mal vorweg: Der Tag der Toten ist keine Trauerveranstaltung, sondern ein farbenprächtiges Volksfest zu Ehren der Toten. Nach dem Volksglauben kehren die Seelen der Verstorbenen an diesen Tagen zu den Familien zurück, um sie zu besuchen.

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Egal, ob das Vorbild zu der Parade James Bond war oder nicht. Hier wächst etwas heran, das sich vor einem Carnival in Rio nicht verstecken muss.

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Wer den Clip aus dem Bond-Film Spectre noch nicht gesehen hat – Here we go :