12 in 12 – Alle lieben Hachiko

Im Stadtteil Shibuya leuchten die Neonschilder um die Wette und die Menschenmassen strömen in die unzähligen Kaufhäuser. Alles ist bunt und irgendwie verrückt. In Mitten dieses Wahnsinns erblicke ich eine Bronzestatue. Ein Hund thront dort erhaben und stolz auf einem Sockel und schaut dem Treiben gelassen zu.

Ich frage einen Passanten, was es mit der Statue auf sich hat. Er schaut mich entgeistert an, als habe ich ihn gerade gefragt, ob man Fussball mit einem Ball spielt oder ob wir hier in Tokio sind. “Das ist unser Hachiko” sagt er. Ich überspiele gekonnt, dass mir der Name Hachiko nichts sagt und ziehe erstmal von dannen. Später erfahre ich, dass Hachiko nicht nur Japans berühmtester Hund, sondern wohl der berühmteste und meist geliebte Japaner überhaupt ist. Das hat seinen guten Grund.

Hachiko gehörte dem Universitätsprofessor Hidesaburo Ueno. In den Zwanziger Jahren holte der Hund der Rasse Akita sein Herrchen jeden Tag vom Bahnhof in Shibuya ab. Er sass am Gleis Nummer sieben und wusste genau, wann der Professor ankommt. Als dieser 1925 während einer Vorlesung an einer Hirnblutung starb, zog die Witwe aus Tokio fort. Hachiko fand bei Verwandten in einem anderen Stadtteil ein neues zu Hause. Doch da hielt es ihn nicht lange.

Nach wenigen Tagen machte sich Hachiko auf den Weg nach Shibuya. Jeden Nachmittag setzte er sich dort am Bannhof auf das Perron des Gleis Nummer sieben und wartete geduldig auf sein Herrchen. Anfangs wurde er am Bahnhof als Störenfried betrachtet und von den Stationsvorstehern immer wieder verjagt. Passagiere beschwerten sich beim Personal, Bahnmitarbeiter misshandelten ihn sogar. Der Hund wurde geschlagen, manchmal mit Farbe beschmiert. Davon liess sich Hachiko aber nicht abhalten. Jeden Tag kehrte er zurück und wartete – vergebens.

Nach drei Jahren hatte der Stationsvorsteher erbarmen und baute Hachiko ein kleines Ruheplätzchen. An einem Herbsttag 1928 erkannte ein ehemaliger Student von Professor Ueno den Hund wieder. Er schrieb gerade eine Arbeit über Akita-Hunde. 1932 veröffentlichte er einen Artikel zu Hachiko und dessen Leidensweg, der den treuen Hund über Nacht zum Liebling der Nation machte. 1934 wurde Hachiko dann die Bronzestatue am Bahnhof von Shibuya errichtet. Hachiko sass teilnahmslos mit traurigen Hundeaugen daneben, als die Statue eingeweiht wurde. Nach der Zeremonie zottelte er wieder von dannen, steuerte auf das Gleis Nummer sieben zu und wartete.

1935 wurde Hachiko in einer Strasse in Shibuya Tod aufgefunden. Er war an Lungen- und Herzkrebs gestorben. Ob Sonne, Regen oder Schnee. Hachiko hatte zehn Jahre lang jeden Tag auf sein Herrchen gewartet. Das Land trauerte um Hachiko. Sein Körper befindet sich heute präpariert im Nationalmuseum der Naturwissenschaften im Tokioter Bezirk Ueno, wo ihn Tag für Tag Schulklassen bestaunen.

Hunde sind ein Phänomen. Es ist schon unglaublich, wie treu und loyal die Vierbeiner sein können. Egal, wie sie behandelt werden, sie wissen, wo sie hingehören. Schon herzzerreissend. In Tokio hinterlässt Hachiko noch heute seine Spuren. Eine der wichtigsten Buslinien ist die Hachiko-Linie, überall werden T-Shirts und kleine Figuren mit seinem Antlitz verkauft und wenn in Spielfilmen oder Werbeclips ein Hund vorkommt, dann ist es bestimmt ein Akita.

Auch berühmte und weniger berühmte Poeten haben sich Hachiko’s Geschichte zu Herzen genommen. Ein kleines Beispiel:

I will see him again, in heaven I will,
Our adventures will never end, the end, until.
They take one more picture, they all start to cry,
I will wait for you until the day I die.

Ach ja, selbstverständlich hat sich auch schon Hollywood der Geschichte bedient. “A Dog’s Tale” hiess der Film. Lasse Halström führte Regie und Richard Gere übernahm die Rolle des Professors. Natürlich spielte der Film nicht in Japan, sondern in Amerika…

Doch die Tränendrüsen werden auch auf Amerikanisch kräftig gedrückt. Schaut Euch die Szene an und sagt mir mit gutem Gewissen, dass ihr da keine Träne verdrückt habt:

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