Es ist 9 Uhr morgens in der U-Bahn in Tokio. Ich stehe auf dem Gleis und steche aus der Menge hervor. Das liegt nicht nur daran, dass ich der einzige Gaijin bin, sondern auch daran, dass ich keine chirurgische Maske trage. Was wir in Europa nur von Michael Jackson oder dem einen oder anderen asiatischen Touristen kennen, ist hier ganz normal. Ja klar, auch in anderen asiatischen Städten trägt der eine oder andere eine Gesichtsmaske. Doch in Tokio ist es wohl fast jeder Zweite. Ein schräger Anblick.
Die Gründe dafür sind nicht ganz die, die ihr euch vielleicht vorstellt. Wie so vieles in Japan rührt der Ursprung des Maskentragens von den vielen Verhaltensregeln, die uns völlig fremd sind. Als Höflichkeit gegenüber seinen Mitarbeitern ist es in Japan seit Jahrzehnten üblich, dass der kranke Mitarbeiter, der eine Grippe wegen seines dicht gedrängten Terminkalenders einfach nicht zu Hause auskurieren kann, eine Gesichtsmaske trägt. So soll verhindert werden, dass sich die anderen anstecken. Kein Schutz für sich selber also, sondern ein Schutz der anderen.
In den letzten Jahren hat sich das geändert. Eine Maske zu tragen ist in Tokio total normal und hat das Stigma eines Kranken verloren. Einige tragen die Maske, da man so auf das Make-Up verzichten kann. Bei Hautproblemen wird der Fokus so auf die Augen gerichtet. Einige tragen eine Maske, weil sie sich so besser konzentrieren können und andere, weil sie im Winter so schön wärmt.
Dann gibt mittlerweile natürlich auch den Selbstschutz. Schweine- und Vogelgrippe haben bestimmt auch das ihrige dazu beigetragen, dass die Japaner heute ein Volk der Maskenträger sind. Die neueren Masken halten Pollen fern und helfen bei Asthma. Einige Japaner tragen die Maske 24 Stunden lang, da sie Atembeschwerden auch im Bett lindern soll. In vielen Schulen werden die Kinder dazu angehalten, mit Gesichtsschutz zur Schule zu kommen. Vorschrift ist es allerdings noch nicht.
Mittlerweile gilt die Maske gerade bei Teenagern als Mode-Accessoire. Es gibt Masken mit Tiergesichtern und Mustern und dann – das ist kein Scherz – gibt es Gesichtssutz mit Geschmack – also genauer gesagt Masken, die nach etwas Schönem riechen. Zuckerwatte ist besonders populär.
Ich bin gespannt, wie lange es gehen wird, bis die Maske Europa erreicht. Ich hoffe, dass es noch lange dauert, bis nicht nur der Velokurier mit dem Ding herumfährt. Wir kapseln uns Tag für Tag schon genug ab, sei das mit unserem Smart Phone, Kopfhörern oder dem Tablet. Ich sage nein zur Maske.