Tag Archives: Paris

12 in 12 – Les Bains (ohne Douches) lebt wieder

Sowas hatte Paris noch nicht gesehen. Als Les Bains Douches 1978 seine Tore öffnete, waren in diesem legendären Club nicht nur die reichen Pariser unter sich, sondern alles war etwas abgefuckter als irgendwo anders. Schwarze Jugendliche und Drag Queens gaben sich die Hand. Schnell war Les Bains Douches der angesagteste Club in Paris und für ein paar Jahre das Club-Epizentrum der Welt.

Keith Haring, Grace Jones, Debbie Harry, David Bowie, Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat und Jean-Paul Gaultier waren Stammgast. Karl Lagerfeld, Catherine Deneuve und Keith Richards sollen gar mal abgewiesen worden sein. Nacht für Nacht warteten die Huldiger an der Rue du Bourg-l’Abbé, um einmal dabei zu sein. Eingerichtet war der Club von einem jungen Philip Stark und aufgelegt hatte in den grossen Jahren ein damals unbekannter David Guetta. Statt wie im New Yorker Studio 54, wo Disco und Funk liefen, spielte im Les Bains Joy Division.

Dazu kamen Bands wie Echo & The Bunnymen, Simple Minds und  DAF, die hier ihre ersten Konzerte gaben. Auch Depeche Mode spielte im Les Bains, als sie noch niemand kannte. Mitte der Achtziger Jahre kam dann die Zeit der Supermodels im Les Bains. So manche Party endete im berühmten Pool.

Um die Jahrtausendwende hatte das Les Bains seinen Glanz verloren und schloss fast unbemerkt seine Tore. Doch seit 2015 ist es wieder so weit. Das Les Bains ist wieder da. Mit seinem Club Im Keller und einem kleinen, sehr exklusiven Hotel. 13 Millionen Euro hat es gekostet, das Haus aus dem Koma zu holen. Seine wichtigsten Daten sind auf die Hotelhandtücher gestickt: 1885 – 1978 – 2014 (die Eröffnung hatte ein Jahr Verspätung).

Jetzt stehen sie wieder Schlange die jungen Schönen von Paris. Alles ist etwas schicker geworden und Label wie Dior und Yves Saint Laurent feiern hier ihre Parities während der Fashion Week. Ganz hat Les Bains sein Flair für Underground jedoch nicht verloren. Einmal im Monat werden die heissesten Bands der Gegenwart eingeladen, die kurz vor dem Durchbruch stehen. An so einem Abend hatte ich das Glück, auch da zu sein.

Am Eingang steht ein Schrank von einem Mann, der überraschend freundlich meine Eintrittskarte kontrolliert. Dann zwei typische Pariserinnen, die mir zeigen, wo es lang geht. The Beautiful Crowd ist wieder da. Zwei Stockwerke nach unten und da ist es. Das Pool gibt es immer noch und die schwarzweisen Kacheln ebenfalls. Les Bain ist in neuem Glanz erstrahlt. Rappelvoll und heiss. So soll es sein. Leif Vollebekk legt auf seinem Piano los, ehe die superheisse Band Dream Wifes mit ihrerselbstbewussten isländischen Sängerin auftrumpft. Zum Schluss noch Noga Erez aus Tel Aviv, die schräge Rhythmen aus Israel mitgebracht hat. Les Bains (ohne Douches) ist wieder da!!!

 

12 in 12 – Trump und Napoleon

Der Invalidendom. Ein Prunkbau direkt am Ufer der Seine.  Dort ist Napoleon Bonaparte alias Napoleon I begraben. Der Feldherr erfreut sich in Frankreich noch immer grosser Beliebtheit. Als Urvater der Grande Nation und als “Soldat der Revolution” wird er verehrt und als “Erfinder” des Code Civil bewundert.

Neben seiner Grabstätte fällt mir eines seiner Zitate auf. “Partout ou  mon regne a passé il a laissé des traces durable de son bienfait” Zu Deutsch heisst das soviel wie: “Überall wo ich gewirkt habe, hinterlasse ich Spuren von nachhaltiger wohltuender Wirkung.”

Das erinnert mich verdammt an einen anderen Möchtegern-Napoleon und zwar den von da drüben aus den USA. Genau das denkt und sagt doch unser lieber Donald Trump die ganze Zeit. The Donald ist davon überzeugt, dass er schon jetzt der grösste aller Präsidenten ist und alles was er macht, pures Gold ist.

Make America great again” könnte ebenfalls direkt aus der Feder Napoleons stammen. Napoleon hat denn auch mal gesagt: “Ich habe schon jetzt mehr gemacht als alle Könige vor mir zusammen” oder war das unser Donald?

Beide “Feldherren” haben die Aufbruchsstimmung im Land dazu benutzt, an die Macht zu kommen, ohne wirklich von den Prinzipien und der Ungerechtigkeit im Land überzeugt gewesen zu sein. Doch Napoleon hat einen wichtigen Beitrag geleistet, den Trump wohl nie leisten wird. Er hat den Code Civil entwickelt und eingeführt. Den Grundsatz des heutigen Rechtsstates und wenn man so will der modernen Zivilisation. Das haben wir Napoleon zu verdanken.

Als wichtige Grundsätze wurden im Code Civil die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Freiheit für alle und der Schutz des privaten Eigentums festgeschrieben. Die Forderungen der Französischen Revolution wurden somit hier auch in Rechtsform umgesetzt.

Festgelegt wurden im Code Civil auch die Trennung von Kirche und Staat und die freie Berufswahl.

Ach ja, da ist noch ein wichtiger Unterscheid. Napoleon “did make France great again”.

Eine Gemeinsamkeit haben die beiden dann doch noch. Ihre “Wohnungen waren mit den selben, goldüberschütteten, geschmacklosen Möbeln eingerichtet. Immerhin.

 

 

12 in 12 – Der grosse Blonde mit dem Schwarzen Schuh

 

Einer meiner absolut liebsten Filme aller Zeiten ist Pierre Richards “Der grosse Blonde mit dem Schwarzen Schuh” aus dem Jahr 1972. Ich weiss nicht, wie oft ich den Streifen gesehen habe. Es muss bestimmt ein Dutzend Mal gewesen sein. Das war zu einer Zeit, in der man noch gewartet hat, bis ein Film endlich wieder im Fernsehen gezeigt wurde – und der grosse Blonde wurde oft gezeigt; sehr oft.

So viele Szenen haben sich in meinem Gedächtnis für immer festgesetzt. Wie Pierre Richards bester Freund Maurice  hinter dem Abhörwagen auf seinem Fahrrad herfährt und seine Frau Paulette “Mach mir den Hengst” hören sagt, wie Pierre Richard am Flughafen die Rolltreppe herunterfährt und ungewollt zum Superagenten wird oder wie Mireille Dark, mit ihrem unvergesslichen Kleid, Pierre Richard verführen soll und das dann nicht ganz so läuft wie geplant.

Ihr wisst nicht, wovon ich spreche? Ich spreche von der wohl erfolgreichsten französischen Komödie der siebziger Jahre, die nicht zuletzt durch die von George Zamphir auf der Panflöte gespielte und von Vladimir Costa komponierte Filmmusik eine Legende wurde.

Noch immer nichts? Na dann will ich Euch auf die Sprünge helfen. Der Plot in Kurzform:

François Perrin (Pierre Richard) ist ein hochbegabter, jedoch etwas zerstreuter Geiger, der obendrein ein Verhältnis mit der Frau seines besten Freundes Maurice, Paulette, hat. Als Perrin nach einer Auslandstournee im Flughafen eine Rolltreppe mit zwei unterschiedlichen Schuhen herunterfährt, wird er aufgrund dieses Merkmals von einem Mitarbeiter des Geheimdienstchefs Toulouse auserwählt, unwissentlich einen „gefährlichen Agenten“ zu spielen, um seinen rivalisierenden Stellvertreter Milan auf eine falsche Spur zu führen.

Im Garten des Bürgermeisterhauses des 7.  Arrondissement hatte ich das Vergnügen, den Film diese Woche nochmals zu sehen.. Pierre Richard (mittlerweile 82 Jahre alt) und Vladimir Costa waren eingeladen. Bürgermeisterin Rachida Dati führte durch den Abend. Ich konnte es kaum fassen. Vereint mit dem Held meiner Jugend. Der grosse Blonde mit dem Schwarzen Schuh oder wie er im Original heisst, “Le grand blond avec le chaussure Noir”.  Statt mach mir den Hengst heisst es auf französisch Fais moi le cheval. Doch sonst bleibt alles beim Alten.

Es gibt Filme, die man als Teenager geliebt hat,  20 Jahre nicht mehr sieht und dann überrascht ist, wie man darüber je Lachen konnte.  Der grosse Blonde mit dem Schwarzen Schuh gehört nicht dazu und ist für mich noch immer eine der grössten Komödien aller Zeiten. Den Film hier in Paris im 7. Arrondissement zu sehen, wo er zum grossen Teil auch spielt (das ist der Stadtteil mit dem Eifelturm) ist ein Kindheitstraum, der spät in Erfüllung geht.

Pierre Richard, alias Francois Perrin ist mein Held;  oder um es mit den Worten von Bernard Bier zu sagen: “Ein ganz ausgeschlafener Bursche. Der macht mit uns, was er will”

Ach ja, wusstet ihr übrigens, dass der Film dann 1985 für das amerikanische Kinopublikum nochmals verfilmt wurde und zwar mit keinem geringeren als Tom Hanks in der Hauptrolle und dem Titel The Man with One Red Shoe? Ein fürchterliche Idee und ein fürchterlicher Film. Tom Hanks ist eben nicht Pierre Richard.

Der geniale Trailer (mit der Musik!!!):

Der ganze Film!!

12 in 12 – Die Dornenkrone von Jesus

Ich kann es kaum glauben, als ich es höre. Die Dornenkrone, die Jesus am Kreuz getragen hat, soll sich in der Kirche Notre Dame befinden, der Kirche die heute dank dem berühmten Glöckner wohl jedes Kind kennt. Die echte, 2000 Jahre alte Dornenkrone. Ein schlechter Scherz? Keineswegs.

Die Krone ist nicht etwa weggeschlossen, sondern wird den Gläubigen jeden ersten Freitag im Monat in einer Prozession präsentiert. Doch damit nicht genug. Die Krone wird nicht nur gezeigt, sondern am Ende eines kurzen Gottesdienstes kann jeder der will, die Krone aus allernächster Nähe begutachten und ihr einen Kuss geben. Nein, nein, das habe ich nicht geträumt. Das ist wirklich so. Indianerehrenwort.

Es ist kurz vor drei Uhr. Ich sitze in der vierten Reihe der Notre Dame de Paris, die von 1163 bis 1345 errichtet und  eine der frühesten gotischen Kirchengebäude Frankreichs ist. Ich musste weder anstehen, noch einen Ausweis zeigen, noch als Test das Vater Unser aufsagen. Ich bin einfach so in der Kirche.

Mit Weihrauch und Dutzenden von Priestern begleitet wird die Dornenkrone sowie ein Nagel, mit dem Jesus ans Kreuz gehängt wurde und auch ein Stück Holz des Kreuzes in die Kirche getragen.

Das ist schon ein schräger Film. Ich bin im Prinzip ja nicht gläubig und fühle mich etwas fehl am Platz. Doch irgendwie ist das Ganze schon ergreifend. Die Leute neben und vor mir sind teilweise wie in Trance. Sie singen und sie huldigen. Es herrscht eine sonderbare Spannung.

Da ist sie nun, die in Glas eingebettete Krone. Ganz ohne Sicherheitspersonal wird sie durch den Raum getragen in einer Kirche, die nur gut gefüllt, doch keineswegs überfüllt ist. Die möglicherweise wichtigste Reliquie des Christentums ist nur wenige Meter von mir entfernt,

Mir schiesst durch den Kopf, wieviel die Krone wert ist. Unbezahlbar ist sie wohl. Im Gegensatz zu einem Ölbild von Basquiat, das gerade für über 100 Mio, Euro an einer Auktion wegging, existiert die Krone nur ein einziges Mal. Ein Dieb hätte hier recht leichtes Spiel…weg mit diesen Gedanken, Warum komme ich nur auf solche Ideen?

Ob die Krone wirklich echt ist oder nicht, ist Glaubenssache. Das Material der Krone ist in der Bibel nicht überliefert. Verschiedene Pflanzen, wie Christusdorn oder Weissdorn, kommen dafür in Frage.  Der französische König Ludwig IV. erwarb die Reliquie neben anderen ebenfalls weltbekannten Reliquien, wie Teilen des Kreuzes und der Spitze der Lanze des römischen Hauptmannes Longinus 1237 in Konstantinopel und liess zu deren Aufbewahrung die Kapelle Sainte-Chapelle errichten. Ab 400 nach Christus gibt es Nachweise, dass es sich wirklich u die Krone handelt. Davor sind die Aufzeichnungen uneinheitlich.

Jetzt kommt der grosse Moment. Ich werde dazu aufgefordert, mich in die Reihe zu stellen und die Krone zu huldigen. Ich kann nicht anders, als mich auch anzustellen. Gleich ist es so weit. Soll ich, wie alle vor mir, der Krone auch noch einen kleinen Kuss geben? Darf ich das überhaupt als “Papierchrist”? OK, ich muss mich  entscheiden. Ich denke mir, dass wenn es tatsächlich einen Gott gibt, er bestimmt nichts dagegen haben wird, wenn ich ihm meine Ehre erweise. Wenn nicht, dann küsse ich eben ein Glasgefäss. Macht ja auch nichts.

Die Krone und ich. Ganz unter uns. Ein kleiner Kuss, ein Schritt nach links und schon ist der Spuk vorbei. Eine  ganz besondere Erfahrung. Auf jeden Fall habe ich mich extrem ruhig und ausgeglichen gefühlt. Eine gute Sache. Ich gehe aus der Kirche und weiss nicht so recht, was gerade mit mir geschehen ist. Die Jesuskrone in der Notre Dame und ich mittendrin. Wer hätte das gedacht…

12 in 12 – Minimalismus in Perfektion

Alles ist so herrlich funktional und einfach. Kein Stein wurde hier verbaut, der nur der Ästhetik dient, sondern alles hat seinen Sinn und Zweck.

20 Minuten mit dem Zug vom Gare St. Lazard steht eines der grössten Meisterwerke der modernen Architektur: Die Villa Savoye des Schweizer Architekten Le Corbusier.

Ja, genau. Das ist der Architekt, der mal gesagt hatte: “Alle Häuser sollten von Gesetzes wegen weiss sein”, und weiss ist sie denn auch die Villa Savoye

Corbusier hatte sein legendäres Manifest der Architektur geschrieben und es in der Villa Savoye in Poissy 1928 bis 1931 perfekt umgesetzt.

Die Villa steht hochgelegen auf einem weitläufigen Grundstück, inmitten einer grossen Wiese umgeben von Laubbäumen und mit Sicht auf die Seine. Seit 2016 ist die Villa ein Weltkulturerbe der Unesco.

Das Haus strahlt eine Ruhe aus, die in nur wenigen Gebäuden zu finden ist. Licht durchflutet die Räume, ohne störend zu sein. Die Fenster sind unterteilt, um eine gewisse Privatsphäre und vor allem auch gleichmässiges Licht zu garantieren. Alles ist zeitlos gebaut. Eine Seltenheit in der modernen Architektur. Oft sehen Gebäude schon nach zehn Jahre so aus, als ob sie nicht mehr zu unserer schnelllebigen Welt passen. Die Villa Savoye könnte heute noch genau so gebaut werden und wäre auch heute noch ein Meisterwerk.

Ein weiteres Zitat von Le Corbusier fällt mir da ein, wenn ich vor der Villa stehe.”Ich bevorzuge das Zeichnen gegenüber dem Reden. Zeichnen geht schneller und lässt weniger Raum für Lügen.” Das passt so gut. Ehrlicher könnte ein Haus kaum sein als die Villa Savoye. What you see is what you get. Keine Beschönigungen.

Le Corbusier hatte sich während des Baus mit der Familie Savoye zerstritten. in den 50er Jahren übernahm die Stadt Poissy das Haus und wollte es abreissen. Erst massive Proteste und der Einsatz des französischen Kulturministers verhinderten das Undenkbare. Zum Glück.

Neben der Villa Tugendhat (Ludwig Mies van der Rohe, 1930), Fallingwater (Frank Lloyd Wright, 1937) und dem Haus Schminke (Hans Scharoun, 1933) gehört die Villa Savoye zu den bedeutendsten Wohnhäusern der Moderne.

Das sind die fünf Punkte des Manifests “Fünf Punkte zu einer neuen Architektur:

  1. Die Pfosten: Ein Raster von Betonstützen ersetzt die tragenden Mauern und wird zur Grundlage der neuen Ästhetik.
  2. Die Dachgärten auf einem Flachdach können sowohl als Nutzgarten wie auch zum Schutz des Betondachs dienen.
  3. Die freie Grundrissgestaltung (offener Grundriss) und damit der Wegfall von tragenden Mauern ermöglicht eine flexible Nutzung des Wohnraums.
  4. Das Langfenster durchschneidet die nichttragenden Wände entlang der Fassade und versorgt die Wohnung mit gleichmässigem Licht.
  5. Die freie Fassadengestaltung wird ermöglicht durch eine Trennung der äußeren Gestaltung von der Baustruktur.

12 in 12 – Irgendwas stimmt hier nicht

Es ist halb zehn Uhr Abends. Im Hinterhofclub La Loge im 11e Arrondissement steht gleich die französische Hipsterentdeckung Pi Ja Ma auf der Bühne. Ich stehe am Rand des Saals und schaue mir das Publikum an. Sie sehen nicht viel anders aus als in Berlin oder in London. Viele haben ein Bier in der Hand, tragen Stan Smith und vornehmlich schwarze Kleidung. Doch irgendwas ist dennoch anders. Irgendwas.

Da es bestimmt noch 20 Minuten geht, bis Pi Ja Ma ihren grossen Auftritt hat, nehme ich mal mein iPhone aus der Tasche. Es kann ja sein, dass ich eine total wichtige Nachricht verpasst habe. Nicht auszudenken, wenn ich die nicht gleich sehe…

Genau in diesem Moment geht mir ein Licht auf. Ich weiss jetzt, was hier anders ist, als überall anders. Ausser mir spielt hier niemand mit seinem Handy. Kein Einziger hat das Verlangen, mit der Aussenwelt verbunden zu sein. Kein Einziger starrt in seinen Screen und kein Einziger tippt wie wild, um allen via Instagram, Snapchat, Facebook oder Twitter zu zeigen, wie toll sein Leben ist.

Mann ist das erfrischend. Das Ganze strahlt so eine uhnheimliche Ruhe aus. Ich checke kurz, ob das alles nur daran liegt, dass hier im Saal kein guter Empfang ist. Doch nein, der Empfang ist klasse. Das Publikum verzichtet also ganz freiwillig auf das Smartphone. Dass ich das noch erleben darf… Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben.

Jetzt ist es endlich so weit. Pi Ja Ma steht auf der Bühne. Sie legt los und ist klasse. Sie singt, malt und bezirzt. Das Publikum ist begeistert und dennoch halten nicht alle wie blöd ihr Phone in die Höhe und nehmen eine Show auf, die sie bestimmt nie mehr wieder anschauen werden. Bien fait, Paris. Je vous adore.

Falls ihr Euch fragt, wer diese Pi Ja Ma eigentlich ist. Voilà:

 

12 in 12 – Das beste Baguette

Wo der Pariser sein Baguette kauft, ist eine Glaubensfrage.Sag ja nicht, dass das Baguette überall gleich schmeckt. Da versteht der Pariser absolut keinen Spass, denn für ihn gibt es da extrem grosse Unterschiede. Die Stadt Paris organisiert denn auch jedes Jahr einen Wettbewerb, bei dem das beste Baguette von Paris ausgewählt wird. Der Gewinner erhält 4000 € Preisgeld und hat die Ehre, den Präsidentenpalast für ein Jahr zu beliefern.

Folgende Kriterien sind entscheidend:

„Le goût, la cuisson, la mie, l’odeur et l’aspect“. Auf Deutsch: der Geschmack, die Backzeit, das Innere Erscheinungsbild, der Duft und das Äussere.

Die eingereichten Baguettes haben strikte Bedingungen zu erfüllen. Das Brot muss zwischen 55cm und 65cm lang sein, 250g bis 300g wiegen und darf nicht mehr als 18g Salz enthalten.

Der Gewinner 2016 hat seinen Laden gleich bei uns um die Ecke. Charles und Mickael Reydellet, ein Bäcker-Duo, das in der Bäckerei „La Parisienne“ arbeitet, hatten letztes Jahr den grossen Preis abgeräumt. Es versteht sich von selber, dass ich da gleich am ersten Tag hinmusste. Das Baguette kostet 1.20 Euro und kriegt die Balance zwischen Knusprigkeit und Saftigkeit perfekt hin.

Der Gewinner 2017, der ein weiteres Mal vom Rive Gauche kommt, hat den Sieg mit einem Baguette de Tradition davongetragen. Das ist ein Baguette ohne Zusatzstoffe und ist die Bevorzugte Variante der Pariser. Sami Bouattour aus dem 13e Arrondissement ist der grosse Gewinner.

Wenn ihr mich fragt, schmecken alle Baguettes in Paris, die von einem richtigen Bäcker und nicht von Carrefour kommen, einfach klasse. Ein kleiner Tipp: Kauft immer das “Tradition”,  Ob das Beste der Besten oder eins, das keinen Preis gewonnen hat; wenn die Pariser etwas ganz genau wissen ,dann ist es, wie ein Baguette zu schmecken hat..

Die Gewinner seit 2000

12 in 12 – Was ihr immer schon haben wolltet – Deyrolle

Ich weiss ganz genau, was ihr euch in euren geheimsten Träumen schon immer gewünscht habt. Doch ihr dachtet, dass man das nicht so einfach kaufen kann und wenn doch, das ihr Euch das nie leisten könnt. Weit gefehlt. Das mit dem leisten ist zwar so eine Sache. Doch kaufen könnt ihr euren ausgestopften Eisbären, der in Angriffsposition auf seinen Hinterbeien steht und dessen Pranken mit seinen spitzen Krallen auf Euch herabfallen, schon für schlappe 30’000 Euro und zwar bei Deyrolle in Paris.

Deyrolle ist mehr als nur ein Kuriositätenkabinett, sondern die allererste Adresse in Paris, wenn nicht gar in Europa,  wenn es um Tierpräparate geht. Seit 1831 kümmert sich die Familie um Tiere aller Art vom kleinsten Käfer über den kleinen Hasen bis him zum Nashorn, der Giraffe, dem Zebra oder eben dem von euch so geliebten Eisbären. Alles ist zu haben und zwar legal. Deyrolle rühmt sich damit, vor allem an Schulen und wissenschaftliche Institute zu liefern.

Hier müsst ihr nicht wie im Museum Abstand zum Tier halten. Hier könnt ihr Auge in Auge mit dem Eisbären verharren, könnt ihr den den Tiger ganz genau beobachten oder den Panzer des Nashorns studieren. Ganz schräg ist das ausgestopfte Schaf in dessen Bauch eine Schublade eingelassen wurde und auf dessen Kopf eine kleine Tischplatte prangt. Nachttischchen gefällig?

Zwar sind leider 2008 bei einem grossen Brand ein Grossteil der Kuriositäten den Flammen zum Opfer gefallen. Doch was Deyrolle immer noch auf Lager hat im ersten Stock seines Geschäfts ist atemberaubend. Deyrolle verspricht übrigens, dass kein Tier, dass es bei ihm zu kaufen gibt, getötet wurde, nur um es auszustopfen. Beruhigend…Wenn ihr das nächste Mal in Paris seit, dann müsst ihr undedingt zu Deyrolle. Sowas habt ihr noch nicht gesehen.

12 in 12 – Der unfreundliche Pariser

Welcome to Paris. In Paris gibt es Baguettes, Käse, Rotwein und unfreundliche Franzosen. Das zumindest ist das Klischee. Paris ist immer ganz oben auf der Liste, wenn nach der unfreundlichsten Stadt der Welt gefragt wird.

Die Franzosen können kein Englisch oder tun zumindest so.

Die Franzosen gehören zur Grande Nation und finden alle anderen sind nur Abschaum.

Die Franzosen sind arrogant.

Nur die Franzosen haben Ahnung von Essen.

Die Franzosen duschen sich nie und kennen kein Deodorant.

Ich könnte die Liste der Vorurteile wohl beliebig lang weiterführen. Doch ich lass es mal. Denn die meisten dieser Vorurteile sind völlig falsch, zumindest heutzutage.

Ja, es war wohl einmal so, dass sich die Franzosen im Restaurant über die Gäste lustig machten. Egal was man bestellte, ob in gebrochenem Französisch oder in Englisch, man war die Lachnummer schlechthin. Doch das war gestern. Irgendetwas hat sich in der Zwischenzeit geändert. Die Franzosen (und ich spreche in diesem Fall natürlich besonders von den Parisern) sind offener, internationaler, weltgewandter, freundlicher, aufgeschlossener und ja es ist tatsächlich so, freundlicher geworden. Das wird mir schon nach wenigen Tagen Paris klar. Wenn ich den Weg nicht weiss, dann steht gleich jemand bereit, der mich in die richtige Richtung schickt, wenn ich im Laden etwas nicht finde, dann ist der Verkäufer darum bemüht, mir zu helfen, wenn ich im Restaurant nicht weiss, welcher Wein zum Essen passt, dann gibt es kein abschätziges Seufzen mehr, sondern eine ausgiebige Beratung.

Warum haben sich die Pariser so geändert? Das kann nicht nur daran liegen, dass das Fremdenverkehrsamt der Region Paris 2013 zusammen mit der französischen Industrie- und Handelskammer einen sechsseitigen Ratgeber herausgegeben hat, um 30’000 Tourismusmitarbeiter im besseren Umgang mit Besuchern nach dem Motto:«Do you speak Touriste?»  zu schulen.

Ich bin Idealist und glaube, dass auch der Pariser gemerkt hat, dass wir im Endeffekt alle im selben Boot sitzen und es nicht “Frankreich gegen den Rest der Welt”, sondern “alle miteinander, solange wir uns gegenseitig gut behandeln”, heisst. Ja, ich weiss, dass das etwas Wunschdenken ist. Doch ich glaube daran. Die Anschläge in Frankreich haben dazu geführt, dass der Zusammenhalt grösser geworden ist. Zudem will man den Besuchern zeigen, dass es hier weiterhin lebenswert ist und Angst und Unfreundlichkeit keinen Platz haben. Das gilt besonders für die junge Generation. Die Pariser zwischen 20 und 30 haben etwas ansteckend fröhliches und  – ja man kann es kaum glauben – höfliches an sich. Sie freuen sich, wenn man versucht Französisch zu sprechen (das war mal ganz anders) und wenn es nicht geht, dann können sie ziemlich gut Englisch und scheuen sich auch nicht, das anzuwenden. Das macht die möglicherweise schönste Stadt der Welt so viel schöner. Ich freue mich, hier zu sein.

Ja klar, es gibt sie noch die unfreundlichen Pariser. Doch es sind weniger geworden. Ich wäre nicht überrascht, wenn Paris in den jüngsten Umfragen nicht mehr den Spitzenplatz einnehmen würde, wenn es um die unfreundlichsten Städte der Welt geht. Paris hätte es verdient.

12 in 12 – Welches ist das beste Grand-Slam-Turnier?

Geschafft. Ich habe den Grand Slam gewonnen. Hier in Roland Garros ist es mir gelungen und zwar auf dem Court No. 3. Na ja, ich weiss, ich übertreibe ein wenig. Den Grand Slam gewonnen hört sich nach mehr an, als es eigentlich ist. Genauer genommen habe ich es geschafft, alle vier Tennis-Grand-Slam-Turniere zu besuchen. Das US Open, Wimbledon, das Australian Open und Roland Garros aka das French Open. Paris hatte mir noch gefehlt. Das Turnier mit der “terre battue”, den Mini-Breaks und das Turnier, wo der Schiedsrichter nach einer Pause statt “Time” “Reprise” ruft.

Ihr wollt jetzt bestimmt wissen, welches das beste Grand-Slam-Turnier ist. Die klare Antwort darauf ist: es kommt darauf an. Da ihr ja alle grosse Freunde von Bestenlisten seid, mache ich euch eine Freude. Hier kommt eine neue Liste:

Beste Organisation: Wimbledon

Es gibt wohl niemand, der es so gut versteht, Schlange zu stehen und das Anstehen so perfekt zu organisieren, wie die Briten.

Bester Belag: Roland Garros

Da steh ich möglicherweise allein da. Doch Sand lässt so viele taktische Varianten offen wie kein anderer Belag. Mehr ein Schachspiel als primitives Draufhauen Ich  liebe die langen Ballwechsel.

Best durchgestylte Hostessen/Platzanweiser: Roland Garros

Hier gibt es für das Personal bestimmt ein Casting. Vom Balljungen über die Shopangestellten, bis zur Platzanweiserin sind alle sowas von modisch drauf.

Beste Anlage: Australian Open

Grosszügig angelegt und genügend Platz, um auch Abseits vom Geschehen zwischendurch etwas abzuschalten.

Beste Souvenirs: Roland Garros

Die Sachen von Lacoste & Co sind so richtig schön. Nur Wimbledon kann da annähernd mithalten.

Beste Unterhaltung abseits des Tenniscourts: Australian Open

Konzerte und andere Performances, mit Topstars und Openair-Feeling runden die ohnehin perfekte Veranstaltung ab und das alles umsonst.

Bester Food: Wimbledon und Australian Open

Die Strawberrys and Creme in Wimbledon sind einfach himmlisch. Insgesamt sind aber die Food Trucks in Melbourne kaum zu schlagen.

Bester Center Court: Wimbledon

Es gibt nichts Besseres als der Center Court in Wimbledon. Die Royal Box und alles drum und dran machen den Platz einzigartig.

Bester Aussenplatz: Wimbledon und Roland Garros

Kein Platz hat in der ersten Woche so viel gesetzte Spieler wie der Court No. 12 in Wimbledon. Nur der Court No. 3 in Roland Garros kommt da annähernd ran.

Bester Value: US Open, Roland Garros

Die Ground Tickets am US Open und in Roland Garros sind nur schwer zu schlagen. Für wenig Geld viel viel Action. Kleiner Tipp: Geht in der ersten Woche, wenn das Haupttableau noch breit und die Action auf den Aussenplätzen noch gross ist. Ach ja, in Roland Garros kann man den ganzen Tag auf der Anlage bleiben. Keine Night Session. That rocks!!

Bestes Wetter: Australian Open

In Melbourne ist Regen um diese Jahreszeit (Januar) ein Fremdwort.

Beste Lage: Australian Open

Die Anlage ist mitten in der Stadt und zu Fuss erreichbar.

Bester TV Announcer: US Open

Keiner ist unterhaltsamer als John McEnroe

Bestes Programm/Old School Newsletter: Roland Garros

Jeden Tag gibt es eine ganze Zeitung mit den News of the Day. Auch im Zeitalter des Internets eine willkommene Geste – und wenn es zu heiss wird kann man sich daraus einen Sonnenhut falten.

Schlechtester Court: US Open

Der Center Court in Flushing Meadows ist extrem unpersönlich und in den frühen Runden oft recht leer.

Schlechteste App: Roland Garros

Die Franzosen sind in Sachen Apps und Web noch etwas hinter dem Mond. Nehmt Euch ein Beispiel am Australian Open.

Fazit: Wie gesagt: Es kommt darauf an…